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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu unterscheiden. Er ist nicht verkommen, sondern er war hochgeehrt und hat sich niemals nach den weißen Männern zurückgesehnt. Als er starb, wurde ihm ein Grabstein errichtet, wie ihn gleich prächtig kein Häuptling jemals empfing, und mit Lebenseichen und schneeweiß blühenden Magnolien umpflanzt. Er ist hinüber gegangen in die ewig grünenden Savannenländer, wo die Seligen sich nicht zerfleischen und vom Angesichte Manitou’s wonniges Entzücken trinken. Dort wird Winnetou ihn wiedersehen und allen Haß vergessen, den er hier auf Erden schaut.«
    Was für ein feines Ohr mußte dieser Mann besitzen! Jetzt glaubte ich, was ich früher bezweifelt hatte, daß ein im Grase liegender Indianer im Stande sei, die an einem Halme emporkletternde Ameise zu hören.
    Old Death hatte keine Zeit, sich wie ich zu wundern; er war unendlich glücklich, von diesem Manne erkannt worden zu sein. Sein Gesicht strahlte vor Freude, als er ihn fragte:
    »Wie, Sir, Ihr kennt mich? Wirklich?«
    »Ich habe Euch noch nicht gesehen, aber dennoch sofort erkannt, als ich hereintrat. Ihr seid ein Scout, dessen Name bis hinüber zum las Animas erklingt.«
    Nach diesen Worten wendete er sich wieder ab. Während seiner Rede hatte sich kein Zug seines ehernen Gesichtes bewegt – jetzt saß er still und scheinbar in sich selbst versunken da; nur seine Ohrmuscheln zuckten zuweilen, als ob sie sich mit etwas außer ihm Vorgehenden beschäftigten.
    Indessen flüsterten die Rowdies immer unter sich weiter, sahen sich fragend an, nickten einander zu, und schienen endlich zu einem Entschlusse zu kommen. Sie kannten den Indsman nicht, hatten auch aus seiner Rede nicht geschlossen, wer er sei, und wollten nun wohl die Niederlage, welche sie uns gegenüber erlitten hatten, dadurch ausgleichen, daß sie ihm fühlen ließen, wie sehr sie einen rothhäutigen Menschen verachteten. Dabei mochten sie der Ansicht sein, daß es mir und Old Death nicht einfallen werde, uns seiner anzunehmen, denn wenn nicht wir es waren, welche beleidigt wurden, so hatten wir uns nach den herrschenden Regeln ruhig zu verhalten und zuzuschauen, wie ein harmloser Mensch moralisch mißhandelt wurde. Also stand Einer von ihnen auf, derselbe, welcher vorher mit mir angebunden hatte, und schritt langsam und in herausfordernder Haltung auf den Indsman zu.
    Ich war sofort dazu entschlossen, Letzterem nöthigenfalls beizustehen, und zog meinen Revolver aus der Tasche, um ihn so vor mich auf den Tisch zu legen, daß ich ihn bequem erreichen konnte.
    »Ist nicht nothwendig,« flüsterte Old Death mir zu. »Ein Kerl wie Winnetou nimmt es mit der doppelten Anzahl dieser Buben auf.«
    Der Rodwy pflanzte sich breitspurig vor den Apachen hin, stemmte die Hände in die Hüften und sagte:
    »Was hast Du hier in Matagorda zu suchen, Rothhaut? Wir dulden keine Wilden in unserer Gesellschaft.«
    Winnetou würdigte den Mann keines Blickes, führte sein Glas an den Mund, that einen Schluck und setzte es dann, behaglich mit der Zunge schnalzend, wieder auf den Tisch.
    »Hast Du nicht gehört, was ich sagte, verwünschte Rothhaut?« fragte der Rodwy. »Ich will wissen, was Du hier treibst. Du schleichst umher, um uns auszuhorchen, den Spion zu spielen. Die Rothhäute halten es mit dem Hallunken Juarez, dessen Fell ja auch ein rothes ist, wir aber sind auf Seiten des Imperators Max und werden jeden Indianer aufknüpfen, welcher uns in den Weg kommt. Wenn Du nicht sofort in den Ruf einstimmst: ›Es lebe Kaiser Max‹, so legen wir Dir den Strick um den Hals!«
    Auch jetzt sagte der Apache kein Wort. Kein Zug seines Gesichtes bewegte sich.
    »Hund, verstehst Du mich? Antwort will ich haben!« schrie ihn der Andere jetzt in offenbarer Wuth an, indem er ihm die Faust auf die Achsel legte.
    Da richtete sich die geschmeidige Gestalt des Indianers blitzschnell in die Höhe.
    »Zurück!« rief er in befehlendem Tone. »Ich dulde nicht, daß ein Cojote mich anheult.«
    Cojote wird der feige Prairiewolf genannt, der allgemein als ein verächtliches Thier angesehen wird. Die Indianer bedienen sich dieses Schimpfwortes, sobald sie Jemandem ihre höchste Geringschätzung ausdrücken wollen.
    »Ein Cojote?« rief der Rowdy. »Das ist eine Beleidigung, für welche ich Dich zur Ader lassen werde, und zwar augenblicklich!«
    Er zog seinen Revolver. Da aber geschah Etwas, was weder er noch ich erwartet hatten: Der Apache schlug ihm die Waffe aus der Hand, faßte ihn an den Hüften, hob ihn empor und schleuderte ihn

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