Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Zeit ein Greenhorn bleiben werdet. Aber nun sind wir in der Nähe unseres Logementes angekommen. Gehen wir hinein? Ich denke nicht. Ein alter Trapper wie ich, klemmt sich nicht gern zwischen Mauern ein, und ich habe am liebsten den freien Himmel über mir. Laufen wir also noch ein wenig in diesem schönen Matagorda umher. Ich wüßte nicht, wie wir die Zeit anders todtschlagen wollten. Oder liebt Ihr es vielleicht, ein Spielchen zu machen?«
    »Nein. Ich bin kein Spieler und habe auch nicht die Absicht, einer zu werden.«
    »Recht so, junger Mann! Hier aber spielt fast Jedermann, und nach Mexico hinein wird es noch viel schlimmer; da spielt Mann und Weib, Katze und Maus, und die Messer sitzen nicht sehr fest. Erfreuen wir uns an einem Spaziergange! Dann essen wir und legen uns bei Zeiten auf das Ohr. In diesem gesegneten Lande weiß man ja niemals, ob, wie oder wo man sich des andern Abends zur Ruhe legen kann.«
    »So schlimm wird es doch wohl nicht sein!«
    »Ihr dürft nicht vergessen, Sir, daß Ihr Euch bisher nur in den Oststaaten befunden habt. Jetzt aber sind wir in Texas, welches bereits zum Westen gezählt werden muß, und dessen Verhältnisse noch bei Weitem nicht geordnet sind. Wir haben zum Beispiel vor, nach Austin zu gehen. Es ist aber sehr fraglich, ob wir dorthin kommen. Die Ereignisse in Mexico haben ihre Wogen auch über den Rio grande herübergewälzt. Da geschieht Manches, was sich sonst nicht zu ereignen pflegt, und überdies haben wir mit den Einfällen dieses Gibson zu rechnen. Wenn es ihm in den Sinn gekommen ist, die Fahrt nach Austin zu unterbrechen und irgendwo auszusteigen, sind wir natürlich gezwungen, dasselbe zu thun.«
    »Aber wie erfahren wir, ob er von Bord gegangen ist?«
    »Durch Nachfrage. Der Dampfer nimmt sich hier auf dem Colorado Zeit. Man hastet noch nicht so wie auf dem Missisippi und anderwärts. Es bleibt uns an jedem Orte ein kleines Viertelstündchen übrig, unsere Nachforschungen zu halten. Wir können uns sogar darauf gefaßt machen, irgendwo an das Land gehen zu müssen, wo es weder Stadt noch irgend ein Hôtel gibt, in welchem wir uns pflegen können.«
    »Aber was geschieht in diesem Falle mit meinem Koffer?«
    Er lachte laut auf bei meiner Frage.
    »Koffer, Koffer!« rief er. »Einen Koffer mit zu nehmen, das ist noch ein Rest längst vergangener vorsündfluthlicher Verhältnisse. Welcher vernünftige Mensch schleppt ein solches Gepäckstück mit sich! Wenn ich Alles, was ich jemals während meiner Reisen und Wanderungen gebrauche, hätte mitnehmen wollen, so wäre ich niemals weit gekommen. Nehmt mit, was für den Augenblick nothwendig ist; alles Uebrige kauft Ihr Euch zu seiner Zeit. Was habt Ihr denn in Eurem alten Kasten für wichtige Dinge?«
    »Kleider, Wäsche, Toilettengegenstände, Verkleidungsstücke und so weiter.«
    »Das sind alles ganz schöne Sachen, die man aber überall haben kann. Und wo sie nicht zu haben sind, da ist eben kein Bedürfniß dafür vorhanden. Man trägt ein Hemde, bis man es nicht mehr braucht, und kauft sich dann ein neues. Toilettensachen? Nehmt es nicht übel, Sir, aber Haar-und Nagelbürsten, Pomaden, Bartwichse und dergleichen schänden blos den Mann. Verkleidungsgegenstände? Die mögen da, wo Ihr jetzt gewesen seid, ihre Dienste leisten, hier aber nicht mehr. Hier braucht Ihr Euch nicht hinter einer falschen Haartour zu verstecken. Solch romantischer Unsinn führt Euch nicht zum Ziele. Hier heißt es, frisch zugreifen, so bald Ihr Euern Gibson findet. Und – – –«
    Er blieb stehen, betrachtete mich von oben bis unten, zog eine lustige Grimasse und fuhr dann fort:
    »So, wie Ihr hier vor mir steht, könnt Ihr im Zimmer der anspruchsvollsten Lady oder im Parkett irgend eines Theaters erscheinen. Texas aber hat mit einem Boudoir oder einer Theaterloge nicht die mindeste Aehnlichkeit. Leicht kann es geschehen, daß bereits nach zwei oder drei Tagen Euer feiner Anzug in Fetzen um Euch hängt und Euer schöner Cylinderhut die Gestalt einer Ziehharmonika erhalten hat. Wißt Ihr denn, wohin Gibson sich wenden wird? In Texas zu bleiben, kann unmöglich seine Absicht sein, er will verschwinden und muß also die Grenze der Vereinigten Staaten hinter sich haben. Daß er die Richtung hierher eingeschlagen hat, macht es über allen Zweifel erhaben, daß er nach Mexico will. Er kann in den Wirren dieses Landes untertauchen, und kein Mensch, auch keine Polizei wird Euch helfen, ihn empor zu ziehen.«
    »Vielleicht habt Ihr Recht. Ich

Weitere Kostenlose Bücher