Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Nasir-i-Schähr 36 sei; er nannte mir einen Särtix, 37 eine hohe Charge, die aber nicht viel zu bedeuten hat, und erbot sich, mich für ein Backschisch zu ihm zu führen und auch anzumelden. Da lernte ich gleich einmal persisch-militärische Zustände kennen; hoffentlich sind sie jetzt besser.
Ich zahlte das Trinkgeld voraus. Der Wekilbaschi ging voran, und wir folgten ihm zu Pferde. Erst jetzt dachte Halef an die Schwierigkeiten, welche wir zu überwinden haben würden, um unsere Pferde zu bekommen. Als er eine darauf bezügliche Bemerkung machte, beruhigte ich, ihn:
»Habe keine Angst, Halef! Ich trage in meiner Tasche einen Firman des Schah-in-Schah, welcher in eigener Gegenwart des Herrschers untersiegelt worden ist. Dagegen kann kein Särtix aufkommen.«
»Woher hast Du diesen Firman? Kennt Dich der Schah?«
»Nein, und ich kenne ihn auch nicht; wir stehen uns also in dieser Beziehung vollständig gleich. Du hast doch meine türkischen Legitimationen gesehen; bessere, als ich hatte und noch habe, gibt es nicht, und doch war ich dem Sultan unbekannt. Aber ich habe einen sehr guten und sehr einflußreichen Freund in Stambul; das ist Mustapha Moharram Agha, der Kapudschi 38 der hohen Pforte; der hat mir die Papiere besorgt; kein Fürst kann wirkungsvollere bekommen. Solche einflußreiche Personen gibt es auch anderswo; man muß die Schliche nur kennen. Persische Firmans sind nicht nur in Persien zu bekommen.«
Wir wurden nach der Mitte der Stadt in den von Muhammed Ali Mirza erbauten Pah-i Takht 39 geführt und warteten da in einem Hofe auf den Feldwebel, der uns anmeldete. Er kehrte sehr bald zurück und brachte uns nach dem Innern, wo er uns vor einem Vorhange bedeutete, einzutreten.
Der Raum, der uns nun aufnahm, war kostbar ausgestattet gewesen, hatte jetzt aber ein sehr abgewohntes Aussehen. Auf einem niederen Divan saß rauchend ein Offizier höheren Alters, in dessen Zügen ich vergeblich nach den Spuren geistiger Thätigkeit suchte. Unsere Namen waren ihm genannt worden; er schnauzte uns hochmütig wegen der ihm bereiteten Belästigung an und fragte dann, was wir eigentlich von ihm wollten. Da zog ich meinen Firman aus der Tasche und legte ihn auf den vor ihm stehenden, höchstens drei Fuß hohen Tisch, auf welchem sich Schreibutensilien befanden. Er griff mißmutig danach, faltete ihn aus einander und – – – sprang schnell auf, legte die Legitimation ehrfurchtsvoll auf die Stirn, verbeugte sich dreimal fast bis auf die Erde und sagte: »Allah segne den mächtigsten der Beherrscher mit hunderttausend Gaben; er vernichte alle seine Feinde und erhöhe alle, die in seinem mächtigen Schutze stehen! Ich bin zu Ihren Diensten, meine Freunde!«
Diese Wirkung hatte das von dem Muhrdar 40 in Gegenwart des Schahs eigenhändig aufgedruckte Siegel hervorgebracht. Ich antwortete in möglichst selbstbewußtem Tone:
»Es ist eine kleine Bitte, um deren Erfüllung ich ersuchen muß. Wir waren gestern Gäste der Idiz von dem Tir der Bachtijaren. Während unserer Abwesenheit kam ein Dästä-i Sävaräh von hier mit seinen Reitern und nahm ihnen zwei und zwanzig Pferde, unter denen auch die unserigen waren. Es sollte mir leid thun, wenn ich bei meiner Ankunft dem hohen Jähan pänah 41 sagen müßte, daß ich sie nicht sofort wieder bekommen habe!«
Das war mehr als unverfroren, das war vielleicht schon frech; aber die beabsichtigte Wirkung trat augenblicklich ein: Der Särtix verbeugte sich wieder so tief, wenn auch nur einmal, und teilte mir mit, daß die Pferde, darunter zwei Rapphengste, für Hamadan bestimmt und vor kaum einer Viertelstunde gelegentlich eines Gefangenentransportes dorthin abgegangen seien; unter den Gefangenen befänden sich zufälligerweise zwei Idiz, Vater und Sohn, die in Teheran als verruchte Babis hingerichtet werden sollten. Wenn ich mich beeile, könne ich den Transport binnen einer Stunde einholen und mir die Pferde zurückgeben lassen; er werde mir den dazu nötigen Befehl sofort ausfertigen.
Ich ging natürlich darauf ein. Während er schrieb, kam mir ein Gedanke, ein so ungewöhnlicher oder vielmehr unsinniger Gedanke, daß ich entschlossen war, ihn gerade wegen dieser Unsinnigkeit auszuführen. Der Särtix war kein Pfiffikus, und ich hatte ihm durch Grobheit imponiert, Grund genug für mich zu der Annahme, daß er in die Falle gehen werde. Ich war nämlich überzeugt, daß die beiden Idiz, von denen er sprach, der Sohn und der Enkel der Nezaneh seien.
Als er den Befehl
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