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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Erbarmung glauben kann! Wenn er Dich aus unseren Händen befreit, so kann er auch meine Söhne erretten!«
    »Wirst Du das dann glauben?« – »Ja.«
    »Und zu ihm beten?« – »Ja.«
    »So bitte ich Dich um ein Versprechen!«
    »Laß es mich hören!«
    »Versprich mir, daß Du, wenn wir gegen Euern Willen aus unserer Gefangenschaft befreit worden sind, aus vollem Herzen um die Errettung Deiner Kinder beten wirst!«
    »Ich verspreche es.«
    »Du wirst Dein Wort halten?«
    »Wie einen Eid! Aber ich brauche es nicht zu halten; denn kein Gott kann Euch erretten, wenn Ihr Euch weigert, uns das Lösegeld zu zahlen!«
    »Denke jetzt, was Du willst; aber ich halte Dich beim Wort! Du sollst sofort erfahren, wie Allah Dich zum Beten zwingen wird!«
    Ich zog die Hand aus der Schlinge, drehte mich zu dem Anführer um, welcher noch immer hinter uns stand und versetzte ihm einen Fausthieb gegen die Schläfe, daß er zu Boden stürzte und dort besinnungslos liegen blieb. Im nächsten Augenblicke hatte die Frau meine Hände um den Hals, daß sie nicht rufen konnte. Weiter brauchte ich mich nicht an ihr zu vergreifen, denn sie schloß die Augen und sank ohnmächtig an mir nieder; das Unerwartete meiner That hatte sie über ihre Kraft erschreckt. Ein Griff brachte mich in den Besitz meines auf dem Teppich liegenden Messers, mit welchem ich die Fessel des Hadschi durchschnitt. Hierauf wurde zunächst der Anführer schnell gebunden und ihm ein Knebel zwischen die Zähne geschoben. Eigentlich hätten wir das nun auch mit der Nezaneh thun sollen, aber es widerstrebte mir doch, sie in dieser Weise zu behandeln; fort kamen wir doch, auch wenn sie schnell erwachte. Wir nahmen also so rasch wie möglich alles zu uns, was uns gehörte, stießen mit den Gewehrkolben eine Öffnung durch die Hinterwand der Hütte und krochen vorsichtig hinaus, um vor allen Dingen zu erfahren, wie es auf der vorderen Seite stand. Die Zuschauer hatten sich von dort verzogen; es standen nur noch einige da, welche aber nicht nach unserer Richtung blickten. Wir legten uns also nieder und krochen zwischen den Schneeballsträuchern in den Wald hinein, bis wir von der Hütte aus nicht mehr gesehen werden konnten.
    Nun befanden wir uns zunächst in Sicherheit und konnten daran gehen, uns beritten zu machen. Wir gingen parallel dem Waldesrande, glücklicherweise ohne jemandem zu begegnen, weiter, bis wir das nördliche Ende des Lagers erreichten und die Pferde vor uns sahen. Da wir beide Kenner waren, bedurfte es nur kurzer Zeit, um zu sehen, wo die beiden besten standen. Kein Mensch befand sich in der Nähe; es war wirklich ganz so, als ob jemand die Flucht für uns vorbereitet und sorgfältig jedes Hindernis vorher entfernt habe. Wir sprangen hin, stiegen auf und ritten davon, ohne uns umzusehen, zunächst nach Norden, um die Verfolger irre zu machen.
    Wir hatten uns noch gar nicht weit entfernt, als uns ein junger Ihlaut entgegengeritten kam. Er hielt sein Pferd an und starrte uns im höchsten Grade verwundert entgegen; ich parierte auch das meinige und gebot ihm in befehlendem Tone: »Wenn Du jetzt in das Lager kommst, begibst Du Dich sofort zur Nezaneh und sagst ihr noch einen Abschiedsgruß von uns. Ich lasse sie an den Gott der Liebe erinnern, zu dem sie innig beten soll; dann wird ihr Wunsch gewiß Erhörung finden. Sage ihr das, und nun reite weiter und beeile Dich!«
    Er war so verblüfft, daß er augenblicklich gehorchte, ohne ein Wort zu sagen. Wir galoppierten noch eine Strecke in der bisherigen Richtung fort und bogen dann, als wir festen Boden fanden, welcher keine Spur aufnahm, nach rechts hinüber, wo ein nicht sehr steiler, mit Bäumen besetzter Bergeshang zur Höhe führte. Als wir ihn erreicht hatten, befanden wir uns in vollständiger Sicherheit, weil uns die Bäume die gewünschte Deckung gaben. Bis jetzt hatten wir kein Wort miteinander gesprochen; nun aber, da wir der Steigung wegen die Pferde langsamer gehen lassen mußten, ließ Halef ein munteres Lachen erklingen und sagte:
    »Das war ein lustiger Streich, Sihdi! Wir sind frei und haben alles, alles wieder! Deine Faust hat immer noch dieselbe kräftige Sprache wie vor Jahren. Was wird die Umm ed Dschamahl für Augen machen, wenn sie erwacht, und auch der Kerl, den Du niedergeschmettert hast! Wie ihm der Kopf brummen wird! Fast möchte ich zurückkehren, um ihm zu sagen, daß er sich ihn von ihr mit der berühmten ›Salbe der Schönheit‹ einreiben lassen möge! Aber wie kommen wir zu unseren

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