Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
es an die Fenz und sagte:
»Diesesmal werdet Ihr doch eine Ausnahme machen müssen, Master Rollins. Mein Pferd geht lahm, und ich werde hier bei Euch bleiben, bis es geheilt ist.«
Er trat einen Schritt zurück, maß mich mit zornblitzenden Augen vom Kopfe bis zu den Füßen herab und schrie:
»Seid Ihr toll? Mein Haus ist kein Boardinghaus, und wer sich hier breit machen will, dem brenne ich sehr einfach eine Ladung Schrot auf den Pelz.
Zounds!
Da ist ja auch dieser miserable Indsman wieder! Warte, Bursche, dich will ich forträuchern!«
Ich folgte schnell mit meinem Blicke dem seinigen, welcher bei den letzten Worten auf ein nicht sehr entferntes Buschwerk gerichtet war. Von dorther kam ein junger Indianer herbeigeschritten. Rollins erhob das Gewehr und legte auf ihn an. Er drückte gerade in demselben Augenblicke ab, in welchem ich ihm den Lauf zur Seite schlug. Der Schuß krachte, ging aber fehl.
»Hund! Du vergreifst dich an mir?« brüllte mich der Yankee an. »Da, nimm das dafür!«
Er drehte schnell das Gewehr um und holte zum Kolbenhiebe aus. Die Hacke hatte er vorher, um schießen zu können, weggelegt. Ich stieß ihm die Faust unter den erhobenen Arm und schleuderte ihn so kräftig gegen die Fenz, daß sie unter ihm zusammenbrach. Die Büchse entfiel ihm und ich griff sie auf, ehe er sich wieder erhoben hatte. Er riß im Aufstehen das Messer aus der Scheide und gurgelte mit vor Zorn erstickter Stimme:
»Mir das! Auf meinem Grund und Boden! Das kostet Blut und Leben!«
Ich hatte ebenso schnell meinen Revolver in der Hand, hielt ihm denselben entgegen und antwortete:
»Ihr meint wohl Euer Blut und Leben? Steckt sofort das Messer ein! Meine Kugel ist schneller als Eure Klinge, Mann!«
Er ließ den bereits erhobenen Arm sinken und hielt die Augen nicht gegen mich, sondern nach der andern Ecke des Blockhauses gerichtet. Dort hielt ein Reiter, welcher unbemerkt von uns herbeigekommen war und mir lachend zurief:
»Schon bei der Arbeit, alter Bursche? Recht so! Schlage den Kerl nieder; er hat es verdient. Aber gieb ihm keine Kugel, denn einen Schuß Pulvers ist er nicht wert.«
Dieser Reiter war Will Salters. Er kam vollends herbei, gab mir die Hand und fuhr fort:
»
Welcome,
Kamerad! Wenn es nach diesem
Scurvy fellow
gegangen wäre, hättest du mich nicht wiedergefunden. Ich schätze, er hat dich grad so empfangen, wie gestern mich. Dafür erhielt er einige Nasenstüber, für welche er mir eine Kugel nachschickte, die aber höflicher war als er; sie wich mir weit zur Seite aus. Ich wollte dich hier bei ihm erwarten, durfte aber nicht, sagte jedoch seinem Sohne, daß ich heut’ zurückkehren würde, um zu sehen, ob der Mann bei besserer Laune sei. Wenn es dir recht ist, geben wir ihm eine Lektion im Umgange mit unsersgleichen. Ich will mich einstweilen seiner Persönlichkeit versichern!«
Er stieg ab. Da raffte Rollins die Hacke vom Boden auf und floh in weiten Sprüngen davon. Wir blickten ihm verwundert nach. Sein Verhalten war befremdend. Erst rücksichtslose Grobheit und nun feige Flucht! Wir kamen nicht dazu, eine Bemerkung darüber zu machen, denn aus der Thür, hinter welcher sie bisher ängstlich versteckt gewesen war, trat jetzt eine Frau. Sie hatte Rollins hinter den Büschen verschwinden sehen und sagte, froh aufatmend:
»Gott sei Dank! Ich glaubte schon, es werde zum Blutvergießen kommen. Er ist betrunken. Er hat während der ganzen Nacht phantasiert und dann die letzte Flasche Brandy ausgetrunken!«
»Ihr seid seine Frau?« fragte ich.
»Ja. Ich hoffe, daß ich es nicht zu entgelten habe, Mesch’schurs! Ich kann ja nichts dafür.«
»Das wollen wir glauben. Fast möchte man annehmen, daß Euer Mann geistig gestört sei.«
»Das ist er leider auch. O Gott, ihr glaubt gar nicht, wie unglücklich ich bin! Er bildet sich ein, daß ein Schatz hier in der Nähe vergraben liege. Den will er heben. Kein Anderer soll ihn finden, und darum duldet er keinen Menschen in dieser Gegend. Hier, dieser junge Indsman ist schon seit vier Tagen hier. Er konnte nicht weiter, weil er sich den Fuß vertreten hat, und wollte bei uns bleiben, bis er wieder richtig laufen kann; aber Rollins jagte ihn fort. Nun muß der arme Teufel im Freien kampieren.«
Sie deutete auf den Indianer, welcher herbei gekommen war. Es war alles so schnell geschehen, daß ich ihn noch nicht wieder hatte beachten können.
Er mochte achtzehn Jahre alt sein. Sein Anzug war aus mit Gehirn gegerbter Hirschhaut gefertigt und an
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