Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
sei, so beeile ich mich, zu versichern, daß dies keineswegs der Fall war. Und wer auch nun noch leise die Achseln zucken sollte, dem will ich heimlich anvertrauen, daß ich als verpflichteter Feind aller Spitzbuben, als Detective mich auf der Suche befand.
Und das war so gekommen:
Nach vollendeten Studien hatte ich mich mit einem wahren Feuereifer meinem Berufe, für welchen ich begeistert war, gewidmet; aber bereits nach kurzer Zeit war er mir verleidet worden. Hohle Köpfe, deren einziges Verdienst in irgend einer alten einflußreichen Tante bestand, gewandte Heuchler, denen ihr Amt nichts als die schnell auszunutzende Milchkuh war, und die sich daher vor dem Spiegel ihre servilen Bücklinge einübten, waren mir vorgezogen worden. Mein nächster Vorgesetzte forderte von mir eine Amtsführung, welche ihm allein Nutzen bringen, dagegen aber das Wohl meiner Untergebenen schädigen mußte. Als ich mich höheren Orts discret befragte, gab man mir zwar vollständig Recht, sagte mir aber achselzuckend, daß mich die Verleugnung meiner gewissenhafteren Ansicht schnell vorwärts bringen werde. Der Mann wurde unter der Hand von meiner Befragung benachrichtigt und verfolgte mich nun mit einer Rachsucht, welche sich durch nichts versöhnen ließ. Es kam zum offenen Bruche zwischen uns; er nannte mich einen unvorsichtigen Dummkopf; ich antwortete ihm durch eine schweigsame, tiefe Verbeugung, stellte ihm meine Anstellung zurück und ging – – nach Amerika, ein kühner Schritt, den ich aber glücklicher Weise nicht zu bereuen habe. Später traf ich diesen sehr ehrenwerthen Herrn zu meinem größten Erstaunen als Mormonenapostel wieder. Er hatte Untergebene gefunden, welche weniger rücksichtsvoll gewesen waren als ich, war abgesetzt worden und auch nach Amerika gegangen, wo er als Apostat einen Platz unter den »Heiligen der letzten Tage« mit dem Heile seiner Seele bezahlte.
Was mich betrifft, so machte auch ich die Erfahrung, daß die United-States nicht einen Jeden mit offenen Armen empfangen. Doch gelang es mir, grad als meine geringen Mittel erschöpft waren, eine Anstellung zu finden, welche allerdings mit meinem früheren Berufe ganz und gar nichts zu thun hatte. Ich wurde nach einer sehr heißen Prüfung als Mitglied des damals berühmten Privatdetective-Corps des sehr honourablen Master Josy Tailor aufgenommen und verpflichtet. Ich war der einzige Deutsche unter den Collegen. Der Chef hielt die Deutschen nicht für sehr brauchbar für seinen Beruf, doch gelang es mir, durch einige gute Erfolge, welche ich aber mehr dem Zufalle als meinem Scharfsinn zu verdanken hatte, sein besonderes Vertrauen zu erwerben, so daß er mir in einer schwachen Stunde sogar die vertrauliche Mittheilung machte, daß er eigentlich deutscher Abkunft sei. Sein Großvater hatte Schneider geheißen, diesen schönen Namen aber in das englische Tailor umgewandelt.
Das Wohlwollen, welches dieser Herr mir entgegenbrachte, verleitete ihn doch nicht, zu vergessen, daß ich ein Greenhorn war. Mit recht schwierigen Sachen betraute er mich nicht; dazu war ich ihm noch lange nicht »smart« genug. Gab es aber einen Auftrag, welcher sichern Erfolg und dazu eine gute Gratification verhieß, so theilte er mir denselben zu und hatte dabei die besondere Freundlichkeit, mir durch besondere und eingehende Instruction so zu sagen die Nase auf die Spur zu legen.
So mochte ich vielleicht ein halbes Jahr lang für das gute Renommée seines Bureau’s thätig gewesen sein, als er mich eines Tages nach dem Appell in sein Kabinet kommen hieß, wo ein sorgenvoll dreinschauender Herr auf uns wartete. Bei der Vorstellung wurde er mir als ein Bankier Ohlert genannt, der gekommen sei, sich in einer Privatangelegenheit unsers Beistandes zu bedienen. Der Fall war für ihn ebenso betrübend wie für sein Geschäft gefährlich.
Er besaß ein einziges Kind, einen Sohn, Namens William, fünfundzwanzig Jahre alt und unverheirathet, dessen geschäftliche Dispositionen dieselbe Giltigkeit hatten wie diejenigen des Vaters, welcher mit einer deutschen Frau verheirathet gewesen und selbst deutscher Abstammung war. Der Sohn, mehr träumerisch als thatkräftig angelegt, hatte sich mehr mit wissenschaftlichen, schöngeistigen und Büchern metaphysischen Inhaltes als mit dem Hauptbuch beschäftigt und sich nicht nur für einen bedeutenden Gelehrten, sondern sogar für einen Dichter gehalten. In dieser Ueberzeugung war er durch die Aufnahme einiger Gedichte in eine der deutschen
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