Der Seelenschluessel
dieser Information angezweifelt, besäße sie nicht auch Kiras Einstellung zum Metaphysischen.
Der Bericht, den Mitglieder der Vedek-Versammlung verfasst hatten und der nun auf ihrem Monitor prangte, beschäftigte sich mit einem Verhör der Gattin des Abgesandten. Diese Kasidy Yates behauptete, ihren Mann nach seiner finalen Konfrontation mit Dukat gesehen zu haben. Er habe ihr gesagt, der Gul sei den Wesenheiten erlegen, die er zu entfesseln gehofft hatte: den
Pah
-Geistern. Aus cardassianischer Sicht war das natürlich hanebüchener Unfug.
Doch aus der Sicht einer frommen Bajoranerin bildete es ein zutiefst logisches und passendes Ende für das Leben des verhasstesten Feindes ihres gesamten Planeten. Kombiniert mit dem Wissen über bajoranischen Mystizismus und viele unerklärliche Geschehnisse, die Iliana in Dukats Unterlagen gefunden hatte, war sie inzwischen fest davon überzeugt, dass die mysteriösen Wesen, die im bajoranischen Wurmloch lebten, ein komplexes Netz gewoben hatten. Eines, in dem sich zahlreiche Leben verfangen hatten – auch das von Skrain Dukat.
Vielleicht sogar ihr eigenes.
Das ist es, oder?
, dachte sie. Cardassia und Bajor, ihr Leben und Kiras, Tekeny und Taban, Kaleen und Meru, Shakaar und Corbin, Vaas und Ataan – sie alle waren irgendwie miteinander verbunden. Mit unsichtbaren Fäden, die ein Muster bildeten, einen Wandteppich – und den webten die Propheten hinter ihrem undurchdringlichen Vorhang der Zeitlosigkeit.
Und was ist mit dem Faden
meines
Lebens? Wohin führt er mich als Nächstes? Wie werde ich wieder eins? Cardassia liegt in Trümmern. Auf Bajor gibt es keinen Platz für mich. An Dukat kann ich keine Rache mehr üben. Entek ist längst tot. Meine Mutter erlag ihrem gebrochenen Herzen. Und mein Vater … Die Liebe meines Vaters wurde mir auf ewig gestohlen
.
Von Kira
…
»Nerys?«
Iliana erschrak, drehte sich aber nicht zu der Stimme um. Schnell schloss sie die Datei und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Was ist?«, fragte sie scharf.
Sie spürte Shing-kurs Zögern. Seit dem Gefängnisausbruch auf Letau, der ihnen und einigen anderen Insassen gelungen war, fungierte die Kressari als so etwas wie Ilianas rechte Hand. Sie verstand am ehesten, was Iliana während der vergangenen zwei Jahrzehnte hatte erleiden müssen.
Und sie wusste, dass Iliana nicht die Bajoranerin war, für die sie sich ausgab. Doch sie verstand offenbar, wie sehr sich Iliana nach fünfzehn Jahren physischer und psychischer Folter in Dukats Privatverließ an die Identität der Bajoranerin klammerte, die sie hatte ersetzen sollen – der Frau, deren Identität für Iliana inzwischen mehr Wert hatte als ihre eigene. Monate waren vergangen, seit sie auf Harkoum angekommen waren, und Shing-kur nahm Iliana ihre Launen noch immer nicht übel. Die Kressari ahnte bestimmt, dass sie sie gerade in einem Moment äußerster Verletzlichkeit erwischte.
»Also?«, drängte Iliana. »Spuck’s schon aus!«
Die Kressari ließ sich nicht anmerken, ob sie die Situation tatsächlich richtig gedeutet hatte. »Es gibt Neuigkeiten von Bajor«, meldete sie schlicht.
Neugierig geworden drehte Iliana den Kopf halb zu ihr. »Was für Neuigkeiten?«
Shing-kurs Tonfall versprach ungeahnte Möglichkeiten. »Es gibt einen Soldaten der Jem’Hadar auf Deep Space 9.«
Harkoum übertraf Ilianas kühnste Hoffnungen. Dukats geheimer Transporter auf Letau hatte sie und ihre Mitflüchtlinge in die Untiefen des verlassenen Gefängnisses Grennokar befördert, einer von vielen unterirdischen Strafvollzugsanstalten, die der Obsidianische Orden im Laufe des vergangenen Jahrhunderts insgeheim betrieben hatte. Inzwischen hatte Cardassia Harkoum aber aufgegeben. Gerüchten zufolge lagen noch zahllose mumifizierte Leichen in den verlassenen Zellen. Die sogenannten Staatsfeinde, die hier gegen Ende der Ordensherrschaft inhaftiert worden waren – und den Medizinern des Ordens als Versuchskaninchen für ihre Experimente gedient hatten –, waren einfach sich selbst überlassen worden und einsam gestorben. Iliana versuchte, sich vorzustellen, wie es diesen armen Seelen wohl ergangen war. Eingesperrt und hungernd hatten sie sicher um Hilfe geschrien, bis ihre Schreie schwächer und schwächer wurden und schließlich nur noch Stille übrig blieb.
Doch wenn die Gerüchte stimmten, war Grennokar die Ausnahme von der cardassianischen Regel. Schon auf den ersten Blick hatten sie und ihre Begleiter erkannt, dass diese Einrichtung erst
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