Der Seelenschluessel
fürchteten, vernichteten sie ihn.
Kein Wunder, dass diese Welt nun zur Allianz gehört. Kein Wunder, dass sie Leute wie die Intendantin hervorbringt
.
»In jener Zeit formte sich die erste Enklave«, fuhr Opaka fort. »Um zu bewahren, was uns an Prophezeiungen geblieben war. Doch schon Jahrhunderte zuvor hatte Kai Dava die Eintrübung der Tränen vorhergesagt und Schritte unternommen, ihr Licht zu schützen. Mit Trauer im Herzen entnahm er jeder der neun Tränen ein Fragment, fasste sie in ein metallenes Armband und versteckte dieses. Für den Tag, an dem Bajor es wieder brauchen würde.«
»Drehkörperfragmente«, flüsterte Kira und wechselte einen wissenden Blick mit Vaughn.
»Ja«, bestätigte Opaka. »Und ich glaube, zu ahnen, was Sie als Nächstes fragen wollen, Captain. Lassen Sie mich Ihnen die Mühe abnehmen: Die Scherbe, die auf Ihrer Welt gefunden wurde, stammt von der unseren.«
Staunend schüttelte Kira den Kopf. »Wie ist das möglich?«
»In seinen überlieferten Schriften aus jenen Tagen schreibt Dava von der Qual, die ihm seine Visionen bereiteten«, berichtete Opaka. »Von dem Leid, das aus dem Wissen erwuchs, was er zu tun hatte. In einer der unbekannteren Schriftrollen heißt es, Dava habe den Ruf des Drehkörpers der Seelen vernommen, bevor er die Scherben, also die Tränenfragmente, versteckte. Dava schreibt, er habe die Lade der Träne geöffnet und sich plötzlich seinem Spiegelbild gegenübergesehen, einem zweiten Dava. Diesem habe er die Scherbe der Seelen übergeben.«
»Dem Dava
meiner
Welt«, begriff Kira. »Aber all die Mühe war umsonst. Die Scherbe ist einer Wahnsinnigen in die Hände gefallen, die darauf aus ist, Trakors Prophezeiung zu erfüllen. Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Rückblickend vielleicht nicht«, stimmte Opaka zu. »Aber betrachten Sie es aus der Sicht unseres Davas. Seine apokalyptischen Visionen hatten ihm derart zugesetzt, dass er die Tränen entweihte, um sie zu retten. Vielleicht sah er auch eine Tragödie voraus, die die Seelenscherbe involvierte, und glaubte, er könne diese nur verhindern, wenn er das Fragment an einen sicheren Ort jenseits unserer Welt brachte. Prophezeiungen sind häufig sehr vage, Captain. Deswegen müssen wir sie überprüfen.«
Die vertraute Formulierung zauberte Kira ein Lächeln ins Gesicht, vertrieb ihre Zweifel aber nur zum Teil. Einerseits schien der Dava des Paralleluniversums indirekt dafür verantwortlich zu sein, dass Iliana Ghemor nun über eine Waffe von unberechenbarer Macht verfügte. Andererseits …
Ist es möglich, dass die Propheten es genau so haben wollten? Aber warum sollten sie …?
»Sulan«, sagte jemand.
Kira sah auf, doch Vaughn schloss beim Klang der Stimme die Augen. Hinter ihm trat eine Frau durch die Tür, durch die schon Jaro gekommen war. Es handelte sich um seine Tochter – und auch wieder nicht.
Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Prynn, du solltest nicht hier sein«, mahnte Opaka. Sie stand auf und die jüngere Frau fiel ihr in die Arme. »Was ist denn, mein Kind? Ist etwas vorgefallen?«
»Ashalla«, flüsterte Prynn.
Kira hielt den Atem an.
»Was ist mit Ashalla?«, fragte Winn, verließ ihren Posten an der Tür und trat endlich an den Tisch.
»Es ist fort«, weinte Prynn, »vernichtet. Ashalla existiert nicht mehr.«
TEIL EINS
HARKOUM
2376
Kapitel 1
Neun Monate zuvor
Tief unter der ockerfarbenen Ödnis von Harkoums planetarer Oberfläche wandte sich Iliana Ghemor von ihrem Monitor ab und biss auf die Knöchel ihrer linken Faust. Schmerz und Zorn stritten in ihrem Inneren um die Vorherrschaft. Iliana spürte, wie die dünne Haut über den Knöcheln unter ihren Zähnen nachgab. Der metallische Geschmack von Blut vermischte sich mit den salzigen Tränen, die über Kira Nerys’ Wangen liefen.
Ihre
Wangen.
Tot
, dachte sie, und ihr Blick wanderte zurück zum Monitor auf ihrem Tisch.
Sie sind alle tot. Seit Jahren schon
. Ihre Mutter, ihr Vater, Entek, sogar der Obsidianische Orden … Wenn sie dem jüngsten Bericht ihrer Spitzel glauben wollte, war sogar Gul Dukat nicht länger am Leben. Es hieß, er sei in Bajors Feuerhöhlen gestorben – bei einer mysteriösen Konfrontation mit dem Abgesandten, die beide nicht überstanden hatten.
Sie hatte es schon halb befürchtet. Seit dem Augenblick, da sie das volle Ausmaß des Dominion-Krieges begriffen hatte – und des versuchten Genozids auf Cardassia, der ihn beendet hatte –, wusste sie tief in ihrem Inneren, dass sich unter der
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