Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
Angestellte, und er war kein x-beliebiger Schreiner, sondern Kunstschreiner und …«
»Auf jeden Fall ein sehr einfacher und gütiger Mensch. Und hatte Herzensbildung.«
»Die ich nicht habe?«
Judith blickte ihre Mutter an. »Nicht in dem Maß, wie Vater sie besaß«, antwortete sie kühl. Wenn sie nun schon vorhatte, ein neues Leben anzufangen, wollte sie auch gleich ihre Schüchternheit ablegen und endlich damit beginnen, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen.
Da Lilli nicht antwortete, lächelte Judith nach einer Weile etwas gezwungen und sagte: »Nun passt mal auf … Ihr werdet staunen, was ich aus dem kleinen Hexenhaus alles zaubern werde. Hier unten, das Wohnzimmer, bleibt wie es ist. Die Küche erhält einen größeren Tisch, an dem vier Leute …« Sie räusperte sich. »Ich meine, an dem vier oder auch fünf Leute bequem Platz finden. In mein Schlafzimmer zieht Claudia. Meine Möbel wandern ins Gästezimmer; das kleine Zimmer daneben kriegt Steffi. Und Oliver kommt ins Souterrain. Ist doch herrlich für einen Jungen, so ein Souterrain.«
»Du meinst, er zieht in den Keller«, sagte Lilli, immer noch beleidigt. »Und wohin kommt der Kellerkrempel?«
»Auf den Speicher.«
»Und der Speicherkrempel?«
»Auf den Müll oder Flohmarkt. Mein Gott, das ist doch alles kein Problem!«
»Dein französisches Bett und der große Schrank dürften kaum in dem kleinen Gästezimmer Platz haben.« Huberts Leidensmiene verschlimmerte sich zusehends.
»Das Bett hat Platz. Und den großen Schrank brauche ich nicht, bei nur vier Blusen und fünf Faltenröcken, wie Mutter immer so treffend bemerkt.«
»Ach. Dann spannst du quer durch das kleine Zimmerchen eine Wäscheleine und hängst dort deine Kleiderbügel auf? Wie putzig!«
»Herr Möllemann baut mir einen schmalen Schrank. Und den großen habe ich bereits verkauft. An die Schwiegermutter der Möllemanns.«
»Wie schön, dass bereits die ganze Gegend so rührenden Anteil nimmt an deiner Mutterschaft«, bemerkte Hubert giftig. Er trank einen Schluck Tee und sah mit seinen halbgeöffneten Augen fast so böse aus wie Cäsar, der Papagei.
Lilli schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt, Judith. Andere Frauen in deinem Alter kultivieren und vergrößern sich, mieten schicke Altbauwohnungen in Schwabing oder Haidhausen, kaufen sich Antiquitäten, Teppiche und machen Weltreisen. Du aber …«
»Ich vergrößere mich doch auch. Ich bekomme drei Kinder. Was willst du mehr?«
»Und wie hast du dir unser zeitweiliges Zusammenleben vorgestellt?«, fragte Hubert.
»Könnten wir darüber vielleicht später diskutieren?«
»Du meinst, wenn Lilli nicht anwesend ist? Ich bitte dich.«
»Nun gut. Dann eben gleich. Die Art unseres Zusammenlebens richtet sich nach deinem Verhalten.«
»Nach meinem Verhalten? Wie hättest du es denn gern? Dass ich euch sonntagnachmittags, ein paar Blümchen in der Hand, besuche? Und dir einen züchtigen Kuss auf die Stirn und mir eine Indianerfeder ins Haar drücke und mit Oliver im Gebüsch herumkrieche? Oder Puppenopa spiele für Stephanies Babypuppen?« Er maß Judith mit einem nahezu feindseligen Blick. »Und am Abend«, fuhr er ironisch fort, »am Abend verabschiede ich mich artig, streiche den Kindern liebevoll über die erhitzten Wangen und gehe fröhlich meiner Wege.«
»Nun, so ähnlich vielleicht. Nur die Blümchen kannst du dir sparen. Und mehr als einen züchtigen Begrüßungskuss habe ich bis jetzt auch nicht bekommen. Oder willst du etwa behaupten, du hättest mich Sonntag für Sonntag leidenschaftlich in deine Arme genommen und mir beteuert, wie unerträglich die letzten Stunden des Wartens für dich gewesen wären? Na? Also. Und artig verabschieden bräuchtest du dich auch nicht. Die Kinder sind schließlich alt genug und leben nicht hinter’m Mond. Sie haben bestimmt schon von Verhältnissen gehört.«
»Verhältnissen?«, fragte Hubert gedehnt.
»Wie würdest du unsere Art des Zusammenlebens denn bezeichnen? Wir haben doch ein Verhältnis?«
Huberts Gesicht rötete sich. »Du wirst ziemlich gewöhnlich in letzter Zeit.«
»Seit wann ist ein Verhältnis denn gewöhnlich? Ein Verhältnis kann nett sein oder traurig, es kann enden oder anfangen. Ob es gewöhnlich ist, bestimmen die Verhältnispartner.« Hubert erhob sich: »Der eine Verhältnispartner mäht jetzt den Rasen.«
»Ganz wie ein alter Ehemann. Ehemänner pflegen sich auch hinter Zeitungen oder Rasenmähern zu verschanzen, wenn das Thema ungemütlich
Weitere Kostenlose Bücher