Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
kann.«
»Tatsächlich? Ich dachte eher, du willst Reißaus nehmen. Ich weiß, wie sehr du alles hasst, was nach Farbe, Kleister und Putzmittel riecht.«
»Ich reiße niemals aus. Ich habe Lydias Krankheit nicht bestellt. Außerdem – hast du nicht ab morgen Urlaub?«
»Ja, Mutter«, antwortete Judith sarkastisch. »Ich habe ab morgen Urlaub.«
»Und Hubert wird doch sicher ein bisschen helfen?«
»Der wird sich hüten. Das käme ja fast einer Kapitulation gleich.«
»Na, du schaffst das schon«, sagte Lilli und zeigte ein paar blitzende Zähne, als sie Judith zuwinkte.
In Judiths Büro, das sie mit Frau Kleinschmidt teilte, lag bereits ein Zettel auf der Schreibmaschine. »Bitte Hubert, den Gestrengen, anrufen. Bin selber auch beim Diktat. Uff!« Judith lächelte. Sie verstand sich ausgezeichnet mit Frau Kleinschmidt, mit der sie ein Zimmer teilte und die sie oft um ihren unverwüstlichen Humor beneidete.
Sie griff nach dem Telefon. »Hallo, Hubert?«
»Guten Morgen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich Fräulein Martens gebeten habe, schon ab heute für mich zu arbeiten. Dann kannst du in Ruhe deinen Schreibtisch aufräumen, bevor du in Urlaub gehst.«
»Wie lieb von dir, Hubert. Ich muss nämlich noch eine Menge erledigen. Die Ulmer Spedition will die Möbel der Kinder liefern, viel zu früh, wie du weißt und …«
»Sei mir nicht böse, aber ich bin sehr beschäftigt. Außerdem … du brauchst mich nicht einzuweihen in deine internen Familienangelegenheiten. Ich habe dir schon einmal gesagt: Es war dein Entschluss, nicht meiner.« Er legte auf.
»Na? Was gucken Sie denn so wild?«
Ruth Kleinschmidt, eine mollige Frau um die fünfzig mit gutmütigem, rundem Gesicht und kurzgeschnittenem grauem Haar, kam, einen Stoß Akten tragend, ins Zimmer.
»Mein Hubert ist sauer«, sagte Judith. »Er will partout nicht Vater werden.«
Ruth Kleinschmidt lachte. »Ich halte mich da raus. Sie wissen ja, was ich über Ihren Regierungsrat denke. Ja, ja, er ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Aber ein Gentleman hat selten eine Frau glücklich gemacht. Von Spaß ganz zu schweigen. Außerdem … Sie sind viel zu jung für ihn.«
»Ich? Ich bin schon vierzig. Und komme mir manches Mal uralt vor. Mit all meinen langweiligen Kleidern, dem dummen Haarschnitt und dem faden Gesicht.«
»O Gott, o Gott. Warum tut die Erde sich nicht auf und frisst all meine Gram und Pein«, sagte Ruth Kleinschmidt. »Es soll tatsächlich Läden geben, in denen man schicke Kleider kaufen kann. Auch den Friseur kann man wechseln. Und Puder und Schminke sollte man eben nicht nur einmal im Jahr, zur Weihnachtsfeier, auflegen.«
Nun musste auch Judith lachen. »Sie haben recht. Ich werde demnächst mein Aussehen gründlich verändern. Ich werde mich verwandeln in eine spritzige junge Mutter und von den Verehrern meiner Töchter für die ältere Schwester gehalten werden. Na? Haben Sie sich das so vorgestellt?«
»Genau«, sagte Ruth Kleinschmidt. »Genau so habe ich es mir vorgestellt.«
Doch Judith hatte keine Zeit, sich gründlich zu verändern. Sie verlegte Teppichböden, steckte Gardinen auf, dirigierte die Möbelpacker, ließ die Gartenschaukel einbetonieren und zauberte aus dem als Keller missbrauchten Souterrain-Zimmer, durch dessen Türe man direkt in den Garten laufen konnte, einen bunten Traum für einen kleinen Jungen namens Oliver.
Am Ende der Woche – Herr Möllemann war gerade mit seinen Farbeimern und Pinseln abgezogen – saß Judith in der Küche und sah sich um. Die karierten Vorhänge bewegten sich sanft im Wind, ein Strauß Astern leuchtete in der alten Kupfervase, und vier neue Serviettenringe lagen, liebevoll bemalt, auf dem Tisch. Ja, nun war es soweit. Morgen kamen die Kinder, und übermorgen gab es das erste Frühstück. Das erste Frühstück zu viert. Judith lächelte glücklich.
Am Abend spielte sie mit Hubert Schach. Und verlor. Sie verlor immer, doch nicht immer so schnell.
»Wo bist du bloß mit deinen Gedanken?« Er hasste es, allzu leicht zu siegen.
»Ich habe Bammel vor morgen. Was mache ich nun, wenn sie mich nicht akzeptieren? Oder sogar ganz und gar ablehnen?«
»Die Frage ist müßig, da du sie zu spät stellst. Außerdem haben Kinder zu gehorchen. Wenn du sie mit der nötigen Strenge behandelst …«
»Mit der nötigen Strenge?«, wiederholte Judith gedehnt. »Ich weiß nicht. Ich glaube, in erster Linie wird wichtig sein, dass sie wieder ein Zuhause bekommen und spüren, dass man sie
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