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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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...«
    »Nur vom Futter. Sie träumen davon, mehr Geld zu verdienen, damit sie andere besser ausnützen können. Sie und ich, wir sind ganz genauso. Es gibt keinen Unterschied, außer dass wir beide mehr und besser gegessen haben. In der Vergangenheit haben Sie mehr gegessen als ich. Sie haben in weichen Betten geschlafen, feine Kleider getragen und gute Sachen verzehrt. Und wer machte das Bett, die Kleider, die Mahlzeiten? Sie nicht! Sie haben niemals etwas durch Ihren eigenen Schweiß erarbeitet. Sie sind einer dieser Männer, die sich die Oberschicht nennen, die sich als Herren aller anderen aufführen und das verbrauchen, was jene geschaffen haben.«
    »Aber das hat doch nichts damit zu tun«, rief ich.
    »Doch!« Seine Augen blitzten. »Es ist Gemeinheit und es ist Leben. Welchen Sinn macht die Unsterblichkeit von Gemeinheiten? Betrachten Sie sich und mich! Was haben Sie nun von Ihrer Unsterblichkeit, nachdem Sie mir in die Hände gefallen sind? Sie sehnen sich zurück an Land, wo Ihr angestammter Platz für Gemeinheiten ist. Ich aber behalte Sie hier, wo meine Gemeinheit gedeiht. Ich könnte Sie mit einem Faustschlag töten, denn Sie sind ein elender Schwächling. Aber wenn wir unsterblich sind, worin liegt der Grund? Gemein zu sein wie Sie und ich scheint mir nicht die richtige Tätigkeit für Unsterbliche, oder? Noch einmal: Wozu ist das alles gut? Eine Ewigkeit von Gemeinheit?«
    Plötzlich drehte er sich um und ging zum Heck. »Wie viel war es übrigens, was Köchlein geklaut hat?«
    »Einhundertfünfundachtzig Dollar, Sir.«
    Er nickte. Einen Moment später, als ich hinunterlief, um den Tisch zu decken, hörte ich ihn laut über ein paar Männer fluchen.

Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm gelegt und die Ghost glitt über eine ruhige See. Wolf Larsen marschierte auf dem Achterdeck hin und her, während er das Meer im Nordosten beobachtete. Er hielt Ausschau nach dem Passat. Alle Männer befanden sich an Deck. Sie waren emsig damit beschäftigt, ihre Boote für die Jagd vorzubereiten. Es gab sieben Boote an Bord, die Jolle des Kapitäns und sechs für die Jäger. Je ein Jäger, ein Ruderer und ein Steuermann bildeten die Mannschaft dieser Boote. Auf dem Schoner gehörten sie zur Besatzung. Auch die Jäger wurden zur Wache eingeteilt und unterstanden dem Befehl des Kapitäns.
    Die Ghost galt als der schnellste Schoner der Flotten von San Francisco und Victoria. Gestern, während der zweiten Hundewache, erzählte mir Johnson ein bisschen darüber. Er sprach von dem prachtvollen Schiff mit derselben Liebe, die manche Menschen für Pferde empfinden. Es war die Ghost gewesen, die ihn veranlasst hatte, sich für diese Reise zu verpflichten. Nachdem er jedoch Wolf Larsen kennen gelernt hatte, bereute er allmählich diesen Entschluss.
    Wie mir Johnson berichtete, wog das Schiff achtzig Tonnen und war ein außergewöhnlich schönes Exemplar. Seine Breite betrug dreiundzwanzig Fuß, seine Länge knapp über neunzig. Ein unglaublich schwerer Bleikiel sorgte für seine Stabilität und es trug ungeheure Massen an Segeltuch. Vom Deck bis zum Großmasttopp maß es mehr als hundert Fuß, während der Fockmast acht bis zehn Fuß kürzer war.
    Wolf Larsen besaß den Ruf eines rücksichtslosen Kapitäns. Jeder an Bord, außer Johansen, dessen Beförderung ihm zu Kopf gestiegen war, hatte gute Gründe, warum er sich dennoch hier befand. Manche hatten angeblich vorher nichts über diesen Mann gewusst und die Jäger konnten wegen ihrer Streitsucht und Gewalttätigkeit auf keinem anständigen Schiff anheuern. Ein Matrose namens Louis war stockbetrunken gewesen, als er sich anheuern ließ.
    »Junge, Junge, dies ist das schlimmste Schiff, das man sich aussuchen kann«, sagte er kopfschüttelnd zu mir. Er war auf ein Schwätzchen in die Kombüse gekommen, während ich Kartoffeln schälte. »Auf anderen Schiffen ist die Robbenjagd das reine Vergnügen, aber hier ... Der Steuermann war der Erste. Aber denke an meine Worte: Es wird noch mehr Tote geben, bevor diese Reise zu Ende geht! Wolf Larsen ist der Teufel in Person. Vor zwei Jahren in Hakodate bekam er einen Anfall und schoss vier von seinen Männern über den Haufen. Und im selben Jahr erschlug er einen mit der bloßen Faust! Ein Tier ist er, eine Bestie, und er heißt ja auch so - Wolf. Es wird ein böses Ende nehmen, das sage ich dir. Aber denk daran, von mir weißt du nichts. Möchte gern noch ein bisschen länger leben.«
    Von allen Menschen an Bord der Ghost war mir

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