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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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mein Bein sei gebrochen.
    Da zeterte der Koch durch die geöffnete Kombüsentür: »He, du da! Du wirst doch wohl nicht die ganze Nacht brauchen? Wo ist der Teekessel? Hast du ihn etwa verloren? Es wäre dir Recht geschehen, wenn du dir das Genick gebrochen hättest!«
    Irgendwie gelang es mir auf die Füße zu kommen. Den Teekessel hielt ich noch immer in der Hand. Ich humpelte zur Kombüse.
    »Was bist du bloß für ein Kamel?«, schimpfte der Koch. »Bist du überhaupt zu irgendetwas gut? Noch nicht einmal ein bisschen Tee kannst du tragen ohne ihn zu verschütten. Jetzt muss ich neuen kochen! Und warum schniefst du so herum? Weil du dein armes, kleines Knie angerempelt hast, Mamakindchen?«
    Ich schniefte nicht, obwohl man mir bestimmt die Schmerzen ansah. Doch ich biss die Zähne zusammen und humpelte zwischen Kombüse und Kajüte umher ohne ein weiteres Missgeschick.
    Mein Unfall hatte mir zwei Dinge beschert: eine verletzte Kniescheibe, an der ich monatelang zu leiden hatte, und den Spitznamen Hump.
    Es fiel mir nicht leicht, bei Tisch zu bedienen, wo Wolf Larsen, Johansen und sechs Jäger saßen. Es war eng in dem Raum und der Schoner ging heftig auf und nieder. Was mir jedoch am meisten zu schaffen machte, war die Gleichgültigkeit der Männer. Mein Knie schwoll mehr und mehr an, ich fühlte mich schwach und krank. Alle mussten mein Elend bemerken, doch keiner nahm Notiz davon.
    So war ich beinahe dankbar, als Wolf Larsen später, als ich das Geschirr abwusch, meinte: »Machen Sie sich nichts daraus! An solche Kleinigkeiten werden Sie sich bald gewöhnen. Kann sein, dass es Sie ein bisschen behindert, trotzdem werden Sie lernen zu laufen. So etwas nennt man ein Paradoxon, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Ich nehme an, Sie haben etwas Ahnung von Literatur? Prima. Dann können wir uns hin und wieder darüber unterhalten.«
    Als ich endlich mit der Arbeit fertig war, wurde ich zum Schlafen ins Zwischendeck geschickt, wo ich mir eine Koje zurechtmachte. Ich war heilfroh, den widerlichen Koch für heute nicht mehr sehen zu müssen und von den Beinen zu kommen. Zu meiner Überraschung waren meine Kleider an mir getrocknet und ich spürte kein Anzeichen einer Erkältung. Unter normalen Umständen wäre ich nach allem, was ich inzwischen erduldet hatte, reif fürs Bett und für eine fähige Krankenschwester gewesen. Mein Bein machte mir furchtbar zu schaffen.
    Alle sechs Jäger befanden sich im Zwischendeck. Sie rauchten und schwatzten. Während ich mein Knie untersuchte, warf Henderson einen Blick darauf.
    »Sieht schlimm aus«, meinte er. »Wickeln Sie einen Lumpen darum, das wird helfen.«
    Das war alles. Wäre ich an Land gewesen, so hätte sich ein Arzt um mich bemüht und mir strikte Ruhe verordnet. Aber ich will diesen Männern nicht Unrecht tun. Sie verhielten sich nicht nur hart gegen mich, sondern auch gegen sich selbst. Zum einen mochte das daran liegen, dass sie es gewohnt waren, zum anderen an ihrer primitiven Wesensart.
    Obwohl ich völlig fertig war, konnte ich nicht schlafen. Mein Knie schmerzte zu stark. Ich bemühte mich, nicht laut zu stöhnen.
    Die Jäger, so erfuhr ich im Laufe der Zeit, ließen sich von wirklich schlimmen Ereignissen nicht erschüttern, doch alberne Kleinigkeiten konnten sie zu großem Theater veranlassen. Kerfoot zum Beispiel verlor einen Finger, nachdem dieser vorher zu Brei gequetscht worden war, und verzog keine Miene. Doch bei einer lächerlichen Meinungsverschiedenheit mit einem Gefährten geriet er völlig außer sich und die beiden schlugen sich fast die Köpfe ein. Anstatt vernünftige Argumente hervorzubringen, brüllten sie sich gegenseitig an und drohten sich mit den Fäusten. Geistig benahmen sie sich wie kleine Kinder, körperlich besaßen sie die Gestalt von Männern.
    Die Jäger rauchten ununterbrochen. Sie rauchten billigen, stinkenden Tabak. Die Luft war dick und verbraucht, dazu schaukelte unser Schiff im Sturm. Zum Glück hatte ich keine Veranlagung, seekrank zu werden, aber elend war mir allemal.
    Ich grübelte über meine furchtbare Lage. Unfassbar, dass ich, Humphrey van Weyden, ein gebildeter Mensch und angehender Literat, auf einem Robbenfänger festgehalten wurde, der zum Beringmeer unterwegs war.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch niemals körperliche Arbeit verrichtet. Ich hatte das ruhige, beschauliche Leben eines Gelehrten geführt, der über ein sicheres Einkommen verfügte. Sportliche Betätigung hatte mich nie gereizt, ich war immer ein

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