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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Karten, Hump«, befahl Wolf Larsen, während sie sich an den Tisch setzten. »Und bring Zigarren und Whiskey!«
    Ich holte die üblichen Likörgläser, musste sie jedoch gegen Becher austauschen. Diese füllte der Kapitän zu zwei Dritteln mit unverdünntem Whiskey. Die beiden prosteten sich zu, zündeten ihre Zigarren an und griffen nach den Karten.
    Sie spielten um Geld. Sie steigerten ihre Einsätze, sie tranken Whiskey und tranken ihn aus. Ich schaffte mehr herbei. Wolf Larsen gewann jedes Spiel. Mehrmals trabte der Koch zu seinem Schlafplatz, um mehr Geld zu holen. Bald konnte er kaum noch aus den Augen schauen oder aufrecht sitzen. Bei Wolf Larsen zeigte der Alkohol keinerlei Wirkung. Schließlich hatte der Koch sein letztes Geld gesetzt und verloren. Er schlug seine Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.
    »Hump«, sagte Wolf Larsen freundlich zu mir, »nehmen Sie doch bitte Mr Mugridges Arm und helfen Sie ihm an Deck. Er fühlt sich nicht wohl.« Leiser fügte er hinzu: »Sagen Sie Johnson, er soll ihm ein paar Eimer Salzwasser über den Kopf gießen!«
    Auf Deck vertraute ich den Koch einigen grinsenden Seeleuten an. Während ich die Treppe hinunterging, um den Tisch abzuräumen, hörte ich ihn bereits kreischen.
    Wolf Larsen zählte seinen Gewinn. »Einhundertfünfundachtzig Dollar. Das habe ich mir gedacht. Der Bettler ist ohne einen Pfennig an Bord gekommen.«
    »Was Sie gewonnen haben, gehört mir, Sir«, sagte ich kühn.
    Er grinste spöttisch. »Sie bringen die Zeiten durcheinander, Hump. Mit der Grammatik kenne ich mich etwas aus. ›Gehörte mir‹, sollten Sie sagen, nicht ›gehört mir‹.«
    »Das ist keine Frage von Grammatik, sondern von Moral«, antwortete ich.
    Eine Weile sagte er nichts. Dann lag Traurigkeit in seiner Stimme. »Wissen Sie, Hump, das ist das erste Mal, dass ich das Wort ›Moral‹ aus dem Munde eines Mannes höre. Sie und ich sind die Einzigen hier an Bord, die seine Bedeutung kennen. Es gab einmal eine Zeit in meinem Leben, da träumte ich davon, mich eines Tages mit Männern zu unterhalten, die solch eine Sprache sprechen. Ich träumte davon, mir einen besseren Platz im Leben zu verschaffen als den, in den ich hineingeboren wurde. Aber es hat bis heute gedauert, dass ich mich über den Begriff ›Moral‹ mit einem Menschen unterhalte. Trotzdem irren Sie sich. Es ist weder eine Frage der Grammatik noch der Moral, es ist einfach eine Tatsache.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Tatsache ist, dass Sie das Geld haben.«
    Er strahlte. Offensichtlich freute er sich, dass ich ihn verstanden hatte.
    »Doch in Wirklichkeit«, fuhr ich fort, »geht es hier um eine Frage des Rechts.«
    »Glauben Sie etwa immer noch an solche Dinge wie Recht und Unrecht?«
    »Sie nicht? Überhaupt nicht?«
    »Nicht im Geringsten! Wer Macht besitzt, hat Recht, wer schwach ist, hat Unrecht. Das ist alles.«
    »Aber Sie tun mir Unrecht, wenn Sie mein Geld behalten«, erwiderte ich.
    »Keineswegs. Kein Mann kann einem anderen Unrecht tun. Jeder kann nur sich selbst Unrecht tun.«
    »Dann glauben Sie nicht an Nächstenliebe?«, fragte ich.
    »Warten Sie mal - das bedeutet so etwas wie Zusammenarbeit, nicht wahr?«
    »Na, in etwa.« Ich wunderte mich nicht über diese Lücke in seinem Wortschatz. Wusste ich doch, dass er sich all sein Wissen selbst angeeignet und nie Unterstützung erfahren hatte. »Nächstenliebe ist, wenn man etwas Gutes für andere tut.«
    »Da können Sie auf mich nicht zählen. Jedes Opfer, das mir schadet, ist Unrecht gegen mich selbst.«
    »Demnach sind Sie ein Egoist«, sagte ich. »Wenn man Ihren Interessen in die Quere kommt, muss man mit allem rechnen.«
    »Jetzt fangen Sie an zu begreifen!«
    »Sie sind ein Mann, vor dem man stets auf der Hut sein muss ...« »So kann man es ausdrücken.«
    »So wie man sich vor einer Schlange, einem Tiger oder einem Hai hüten muss?«
    »Jetzt kennen Sie mich«, bestätigte er. »Und Sie kennen mich so, wie man mich im Allgemeinen einschätzt. Andere Leute nennen mich ›Wolf‹.«
    »Sie sind eine Art Ungeheuer«, fügte ich kühn hinzu, »ein Kaliban, wie ihn Browning beschreibt.«
    Doch dieses Gedicht kannte er nicht. »Ich bin dabei, Browning zu lesen, aber noch nicht weit gekommen. Es ist mühsam ...«
    Da holte ich das Buch aus seiner Kabine und las ihm »Kaliban« vor. Wir diskutierten lange darüber und die Zeit verging. Das Abendessen stand bevor, aber der Tisch war noch nicht gedeckt. Ich wurde unruhig, und als Mugridge um die

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