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Der Seher

Der Seher

Titel: Der Seher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schwimmenden Plattform 500 Meter vor der Spitze Manhattans funkelt, und gaben uns mit der Creme des liberalen Establishments der Ostküste ein Stelldichein im strahlenden Gipfelsaal, von dem aus ich – unter anderem – Sarkisians Wohnturm auf der anderen Seite der Bucht sehen konnte, wo ich fast vier Jahre früher zum ersten Mal Paul Quinn begegnet war. Viele Ehemalige von jener pompösen Party würden beim heutigen Abendessen zugegen sein. Sundara und ich bekamen einen Tisch, an dem zwei von ihnen saßen, Friedman und Ms. Yarber.
    Während der einleitenden Phase, in der Bone geraucht und Cocktails getrunken wurden, zog Sundara mehr Aufmerksamkeit auf sich als irgendeiner der anwesenden Senatoren, Gouverneure und Bürgermeister, Quinn eingeschlossen. Das war zum Teil eine Sache der Neugier, da jedermann auf der politischen Bühne New Yorks von meiner exotischen Frau gehört, nur wenige sie aber kennen gelernt hatten; zum anderen Teil aber lag es daran, daß sie mit Sicherheit die schönste Frau im Saal war. Sandara war weder überrascht noch fühlte sie sich belästigt. Schließlich ist sie ihr ganzes Leben lang schön gewesen und hat Zeit gehabt, sich an die Wirkungen ihres Aussehens zu gewöhnen. Und sie hatte sich auch nicht gerade angezogen wie jemand, den es stört, angestarrt zu werden. Sie hatte ein regelrechtes Haremsgewand gewählt, dunkel, lose, fließend, das ihren Körper von den Zehen bis zur Kehle bedeckte; darunter war sie nackt, und wenn sie vor einer Lichtquelle vorbeiging, war sie überwältigend. Wie eine leuchtende, funkelnde Motte glühte sie in der Mitte des riesigen Ballsaals, geschmeidig und elegant, dunkel und geheimnisvoll, ihr ebenholzschwarzes Haar schimmerte und blitzte, Ahnungen von Brüsten und Flanken folterten die Betrachter. Oh, sie hatte einen glorreichen Abend! Quinn kam herüber, um uns zu begrüßen, und er und Sundara verwandelten eine keusche Umarmung mit Kuß in einen erlesenen Pas-de-deux sexueller Ausstrahlungskraft, der einige unserer älteren Staatsmänner nach Luft schnappen und erröten und ihre Kragen öffnen ließ. Sogar Quinns Frau Laraine, ob ihres Gioconda-Lächelns berühmt, sah einen Augenblick lang ein ganz klein bißchen verdattert aus, obwohl sie die sicherste aller Politikerehen führt, die ich kenne. (Oder amüsierte sie sich nur über Quinns Glut? Oh, dieses undurchsichtige Feixen!)
    Sundara verströmte nach wie vor purstes Kama Sutra, als wir unsere Plätze entnahmen… Lamont Friedman, der an dem runden Tisch ihr gegenüber saß, ruckte und bebte, als ihre Augen sich begegneten, und starrte sie mit wütender Intensität an, während die Muskeln seines langen, dünnen Halses wie verrückt zuckten. Gleichzeitig starrte – etwas zurückhaltender, aber nicht weniger intensiv – Friedmans Gefährtin des Abends, Ms. Yarber, ebenfalls Sundara an.
    Friedman. Er war ungefähr neunundzwanzig, gespenstisch dünn, vielleicht zwei Meter dreißig groß, mit grotesk vortretendem Adamsapfel und unglaublichen, krankhaft hervorquellenden Augen; eine dicke Masse wirren braunen Haars umschloß seinen Kopf wie eine wollige Kreatur von einem anderen Planeten, die ihn angriff. Er hatte Harvard mit dem Ruf eines Geldzauberers absolviert und war, nachdem er mit neunzehn in der Wall Street eingezogen war, zum Hohenpriester einer Gruppe irrer Finanziers geworden, die sich Asgard Equities nannte und durch eine Serie blitzartiger Coups – Optionsstöße, Scheinangebote, doppelte Stellagengeschäfte und eine Vielzahl anderer Methoden, die ich nur vage begreife – innerhalb von fünf Jahren die Kontrolle über ein Milliarden-Dollar-Reich mit ausgedehntem Besitz auf jedem Kontinent außer der Antarktis erwarb. (Und wundern würde es mich nicht, wenn Asgard auch die Konzession für Zollerhebung in der Meerenge von McMurdo hätte.)
    Ms. Yarber war eine kleine, blonde Person, ungefähr dreißig, mager und ein wenig spitzgesichtig, energiegeladen, mit flinken Augen und dünnen Lippen. Ihr jungenhaft kurzes Haar fiel in spärlichen Strähnen über ihre hohe, vorwitzige Stirn. Ihr Gesicht war kaum geschminkt, nur eine schwache blaue Linie lief um ihren Mund, und ihre Kleidung war karg – ein strohfarbenes Hemd und ein gerader, einfacher, knielanger brauner Rock. Das wirkte zurückhaltend, geradezu asketisch, aber sie hatte, wie ich beim Hinsetzen bemerkt hatte, ihr überwiegend asexuelles Erscheinungsbild mit einer verblüffenden erotischen Note raffiniert ausgeglichen: Ihr Rock war

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