Der Seher
nämlich auf der linken Seite von Hüfte bis Saum auf eine Spanne von vielleicht zwanzig Zentimetern vollständig offen; wenn sie sich bewegte, wurden ein glatt glänzendes, muskulöses Bein, ein weicher, goldbrauner Schenkel und ein Stück vom Gesäß sichtbar. In der Mitte des Schenkels, befestigt mit einer dünnen silbernen Kette, trug sie das kleine, abstrakte Medaillon des Transit-Glaubens.
Und also zum Diner. Das übliche Aufgebot für Festessen: Furchtsalat, Consommé, Filet aus Soja-Fleisch, gedünstete Erbsen und Karotten, flaschenweise Kalifornischer Burgunder, klumpiger Alaska-Pudding, dies alles mit größtmöglichem Geklirr und kleinstmöglicher Anmut von steingesichtigen Mitgliedern unterdrückter Minderheiten serviert. Weder das Essen noch die Dekoration waren geschmackvoll, aber das störte niemanden; wir waren alle so hoch auf unserem Dope, daß das Mahl Ambrosia und der Saal Walhalla waren. Während wir uns unterhielten und aßen, wanderte eine Schar politischer Profis der niederen Ränge von Tisch zu Tisch, klopfte auf Schultern und schüttelte Hände in ach so herzlicher Begrüßung, und darüber hinaus mußten wir eine Prozession wichtigtuerischer Politikerfrauen ertragen, die zumeist in den Sechzigern waren, plump, grotesk nach der jüngsten Mode gekleidet, und im Umherwandern ihre Nähe zu den Mächtigen und Berühmten auskosteten. Der Lärmpegel mußte um 20db über dem der Niagarafälle liegen. Fontänen wütenden Gelächters spritzten von diesem oder jenem Tisch, wenn irgendein silbermähniger Jurist oder verehrter Gesetzgeber seinen neuesten schlüpfrigen Republikaner/Schwulen/Schwarzen/Puerto/Juden/Iren/Italiener/Arzt/Anwalt/Rabbi/Priester/Politikerinnen/Mafia-Witz im besten 1965er Stil von sich gab. Ich fühlte mich, wie ich mich bei solchen Anlässen immer gefühlt hatte: wie ein Besucher aus der Mongolei, den es ohne Redensartenlexikon in ein unbekanntes amerikanisches Stammesritual verschlagen hatte. Ohne die Röhrchen mit erstklassigem Bone, die ständig herumgereicht wurden, hätte es leicht unerträglich sein können; die Neue Demokratische Partei mag am Wein sparen, aber sie weiß, wie man an gutes Dope kommt.
Als die Zeit für die Reden gekommen war, ungefähr um halb zehn, hatte sich ein Ritual innerhalb des Rituals entfaltet: Lamont Friedman blitzte fast verzweifelte Signale des Verlangens zu Sundara hinüber, und Catalina Yarber hatte sich, obwohl sie sich eindeutig ebenfalls zu Sundara hingezogen fühlte, in kühler, emotionsloser, nichtverbaler Manier mir angeboten.
Als der Zeremonienmeister – Lombroso war es, dem es brillant gelang, gleichzeitig elegant und primitiv zu sein – sich dem Kernstück seiner Aufgabe näherte – er wechselte jetzt zwischen spöttischen Seitenhieben auf die hervorragendsten der anwesenden Parteimitglieder und pflichtgemäßen Klageliedern auf die traditionellen Märtyrer Roosevelt, Kennedy, Kennedy, King, Roswell und Gottfried hin und her –, beugte sich Sundara zu mir und flüsterte: »Hast du Friedman beobachtet?«
»Der leidet schwer an einem Steifen, würde ich sagen.«
»Ich dachte, Genies wären etwas raffinierter.«
»Vielleicht denkt er, die am wenigsten raffinierte Methode wäre die raffinierteste Methode«, schlug ich vor.
»Nun, ich finde, er benimmt sich pubertär.«
»Da hat er wohl Pech gehabt.«
»Oh, nein«, sagte Sundara. »Ich finde ihn attraktiv. Sonderbar, aber nicht abstoßend, verstehst du? Schon fast faszinierend.«
»Dann ist die direkte Methode für ihn erfolgreich. Siehst du? Er ist ein Genie.«
Sundara lachte. »Die Yarber hat’s auf dich abgesehen. Ist sie auch ein Genie?«
»Ich glaube, mein Liebling, in Wirklichkeit will sie dich. Das nennt man die indirekte Methode.«
»Was möchtest du machen?«
Ich zuckte die Achseln. »Es liegt an dir.«
»Ich bin dafür. Was hältst du von der Yarber?«
»Große Energie, schätze ich.«
»Ich auch. Also eine Vierergruppe für heute nacht?«
»Warum nicht?« sagte ich, und gerade in diesem Augenblick brachte Lombroso das Publikum mit einem ausgeklügelt polyethnisch-perversen Höhepunkt seiner Ankündigung Paul Quinns zu ohrenbetäubendem Gelächter.
Wir zollten dem Bürgermeister eine stehende Ovation, sauber dirigiert von Haig Mardikian auf der Estrade. Als ich mich wieder setzte, schickte ich Catalina Yarber ein Telegramm in Körpersprache, das Farbflecken auf ihre blassen Wangen zauberte. Sie grinste. Kleine, scharfe, gleichmäßige Zähne, dicht
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