Der Selbstmordklub
aufzunehmen.«
»Aber,« rief Silas, »jetzt ist doch keine Zeit zum Scherzen.«
»Meine Worte,« entgegnete der Doktor, »haben eine sehr ernstliche Bedeutung. Und das erste, was wir jetzt zu tun haben, junger Freund, ist die Ausleerung Ihres Koffers.«
Silas folgte willenlos den Anordnungen seines Freundes, und nachdem der Koffer seines ganzen Inhalts beraubt war, packten sie den Leichnam, Silas an den Füßen und der Doktor unter den Armen, trugen ihn vom Bett, legten ihn nicht ohne Mühe zusammen und versenkten ihn so in den leeren Koffer. Mit vereinter Anstrengung drückten sie den Deckel nieder, worauf der Doktor den Koffer schloß und zuschnürte, während Silas die ausgeräumten Sachen woanders unterbrachte.
»So wäre der erste Schritt zu Ihrer Rettung getan,« sagte der Doktor. »Morgen oder vielmehr heute müssen Sie alles aufbieten, dem Portier durch Geld und gute Worte jeden Verdacht zu benehmen. Dasübrige überlassen Sie ruhig mir. Fürs erste kommen Sie in mein Zimmer, wo ich Ihnen ein kräftiges Opiat geben werde; denn vor allem bedürfen Sie stärkender Ruhe.«
Der nächste Tag schien Silas der längste in seinem ganzen Leben. Er verleugnete sich vor seinen Freunden und saß in schrecklicher Gemütsverfassung in einem Winkel, die Augen starr auf den Koffer gerichtet. Die Waffen seiner eigenen Neugier kehrten sich nun gegen ihn selbst, denn er merkte, daß das Observatorium wieder frei war und sich beständig Späheraugen aus Madame Zephyrines Zimmer auf ihn richteten, so daß er schließlich das Loch seinerseits verbarrikadieren mußte, worauf er die Zeit zum großen Teil mit Weinen und Beten hinbrachte.
Spätabends trat Dr. Noël ins Zimmer und hielt in seiner Hand zwei versiegelte, unbeschriebene Briefumschläge, einen etwas unförmigen und den andern so dünn, daß er leer zu sein schien.
»Silas,« sagte er, sich niedersetzend, »die Zeit ist nun gekommen, um Ihnen meinen Rettungsplan vorzulegen. Morgen wird zu früher Stunde der Prinz Florisel von Böhmen, der sich ein paar Tage an den Pariser Karnevalsfreuden ergötzt hat, nach London zurückkehren. Vor längerer Zeit hatte ich das Glück, seinem Oberstallmeister, dem Obersten Geraldine, einen gewissen Gefallen zu erweisen, der mir seine dauernde Erkenntlichkeit sichert. Nun ist es für Sie nötig, London ohne Gepäckrevision zu erreichen, und da fiel mir ein, daß die zollamtliche Revision bei einer Person vom Range eines Prinzen eine bloßeFormalität ist. Ich wandte mich daher Ihrethalben an den Obersten, der auch meiner Bitte willfahrte. Wenn Sie sich morgen vor sechs Uhr in das Hotel des Prinzen begeben, wird Ihr Gepäck als zu dem seinigen gehörig befördert werden, und Sie selbst werden in seinem Gefolge hinüberreisen.«
»Wie ich Sie die Namen des Prinzen und des Obersten aussprechen hörte,« sagte Silas, »fiel mir ein, daß ich beide schon einmal gesehen und vor kurzem im Ballsaal einem Gespräche der beiden zugehört habe.«
»Das ist leicht möglich; den Prinzen kann man überall finden. Sind Sie einmal in London,« fuhr der Doktor fort, »so bleibt Ihnen nicht mehr viel zu tun. In dem dicken Umschlag habe ich Ihnen einen Brief mitgegeben, den ich nicht zu adressieren wage; aber in dem andern findet sich angegeben, wohin Sie ihn nebst dem Koffer zu bringen haben, dort wird man Sie auf immer von dem letzteren befreien.«
»Ach,« rief Silas, »wie gern möchte ich Ihnen glauben, aber kann ich denn? Erbarmen Sie sich meines Kleinmuts und lüften mir ein wenig den Schleier dieser geheimnisvollen Rettung.«
Der Doktor schien peinlich berührt.
»Junger Mensch,« sagte er, »Sie wissen nicht, wie Schweres Sie von mir fordern. Und dennoch will ich Ihnen auch noch diesen Beweis meiner Freundschaft geben. So wissen sie denn, daß ich, der jetzt ein so einfaches, einsames Studienleben führt, in meinen jungen Jahren den Mittelpunkt der verschlagensten und gefährlichsten Kreise Londons bildete und, währendich nach außen als höchst ehrbar erschien, meinen ganzen Einfluß den ruchlosesten verbrecherischen Beziehungen verdankte. An einen derartigen früheren Genossen weise ich Sie mit diesem Briefe. Wir bildeten eine internationale Bande, deren Mitglieder durch einen fürchterlichen Eid zu gemeinsamem Handeln verbunden waren; unser Geschäft war der Mord, und ich, der anscheinend so unschuldig vor Ihnen steht, war der Anführer.«
»Was,« rief Silas, »ein Mörder und Mord Ihr Handwerk? Kann ich Ihre Hand ergreifen, Ihre
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