Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
gesagt . . . sie hat gesagt . . . ›Möge sie noch lange Milch geben‹ . . .« Hühnerbang zögerte.
    »Hört sich nicht schrecklich nach einem Fluch an, Paps«, sagte Ramsch. »Ich meine . . . nicht wie´n normaler Fluch. Eigentlich klingt es ein wenig hoffnungsvoll«, sagte sein Sohn.
    »Nun . . . es war die Art . . . wie . . . sie es . . . gesagt hat . . .«
    »Was für eine Art, Paps?«
    »Nun . . . irgendwie . . . fröhlich.«
    »Alles in Ordnung mit dir, Paps?«
    »Es war . . . die Art . . .« Hühnerbang verstummte. »Nun, es ist nicht richtig«, fuhr er fort. »Es ist nicht richtig! Sie hat kein Recht, herumzuspazieren und fröhlich zu den Leuten zu sein! Und mein Stiefel ist voll Milch!«
     
    Heute nahm sich Nanny Ogg etwas Zeit und kümmerte sich um ihre geheime Destille im Wald. Als Destille bildete sie das bestgehütete Geheimnis, das man sich vorstellen konnte, da jeder im ganzen Königreich genau wußte, wo sie sich befand, und ein Geheimnis, das von so vielen Leuten gewahrt wurde, mußte in der Tat ein großes Geheimnis sein. Sogar der König wußte es und hatte Verstand genug, so zu tun, als wüßte er es nicht, und das hieß, er mußte keine Steuern von ihr verlangen, und sie mußte sich nicht weigern, welche zu bezahlen. Und jedes Jahr zu Schweinewacht bekam er ein Faß des Stöffchens, das war, wie Honig sein könnte, wenn Bienen keine Antialkoholiker wären. Und jeder begriff die Situation, niemand mußte Geld bezahlen, und so war die Welt im bescheidenen Rahmen ein glücklicherer Ort. Und niemand war verflucht, bis ihm die Zähne ausfielen.
    Nanny döste. Eine Destille im Auge zu behalten war ein Job rund um die Uhr. Aber schließlich wurde der Lärm der Leute, die wiederholt ihren Namen riefen, zuviel für sie.
    Natürlich würde keiner auf die Lichtung kommen. Dann hätten sie ja zugeben müssen, daß sie wußten, wo die Lichtung lag. Aus diesem Grund stapften sie in den umliegenden Gebüschen herum. Sie zwängte sich hindurch und wurde mit einigen Blicken gespielter Überraschung empfangen, die jeder Truppe von Schmierenschauspielern Ehre gemacht hätten.
    »Und, was wollt ihr alle?« fragte sie.
    »Oh, Frau Ogg, wir haben uns gedacht, daß Sie . . . einen Spaziergang im Wald machen könnten«, sagte Hühnerbang, während ein Geruch, der Glas hätte reinigen können, in der Luft hing. »Sie müssen etwas unternehmen! Es geht um Frau Wetterwachs!«
    »Was hat sie getan?«
    »Sagen Sie´s ihr, Herr Schinkenstich!«
    Der Mann neben Hühnerbang nahm hastig den Hut ab und hielt ihn respektvoll in der Ai-Señor-die-Bandidos-haben-unser-Dorf-überfallen-Position.
    »Nun, gnä´ Frau, mein Freund und ich haben einen Brunnen gegraben, und da kam sie vorbei -«
    »Oma Wetterwachs?«
    »Ja, gnä´ Frau, und sie sagte -« Schinkenstich schluckte. »›Sie werden hier kein Wasser finden, mein guter Mann. Sie sollten besser in der Mulde beim Kastanienbaum suchen!‹ Und wir haben trotzdem weitergegraben und keinen Tropfen Wasser gefunden!«
    Nanny zündete ihre Pfeife an. Seit der Zeit, als ein verstreuter Funke das Faß, auf dem sie saß, hundert Meter in die Luft geschleudert hatte, rauchte sie nicht mehr bei der Destille. Glücklicherweise hatte eine Fichte ihren Sturz abgebremst.
    »Aha . . . und dann haben Sie in der Mulde beim Kastanienbaum gegraben?« fragte sie heiter.
    Schinkenstich sah schockiert drein. »Nein, gnä´ Frau! Man kann unmöglich sagen, was wir dort finden sollten!«
    »Und sie hat meine Kuh verflucht!« sagte Hühnerbang.
    »Wirklich? Was hat sie gesagt?«
    »Sie sagte, ›möge sie eine Menge Milch geben!‹« Hühnerbang verstummte. Wieder einmal, wo er es nun aussprach . . .
    »Nun, es war die Art, wie sie es gesagt hat«, fügte er kläglich hinzu.
    »Und was war das für eine Art?«
    »Nett.«
    »Nett?«
    »Lächelnd und so weiter! Ich wage nicht einmal mehr, das Zeug zu trinken!«
    Nanny stand vor einem Rätsel.
    »Ich verstehe das Problem nicht ganz -«
    »Sagen Sie das Herrn Hopcrofts Hund«, sagte Hühnerbang. »Hopcroft wagt ihretwegen nicht mehr, das arme Tier allein zu lassen! Die ganze Familie wird verrückt! Er schert, seine Frau wetzt die Scheren, und die zwei Jungs sind dauernd unterwegs und suchen nach frischen Stellen, um die Haare zu entsorgen!«
    Geduldige Fragen Nannys brachten ans Licht, welche Rolle das Haarwuxmittel dabei gespielt hatte.
    »Und er hat ihm wieviel gegeben?«
    »Die halbe Flasche, Frau Ogg.«
    »Obwohl Esme auf dem Etikett schreibt: ›Einen

Weitere Kostenlose Bücher