Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
Hans veranschaulichen, die gewöhnlich herangezogen wird, um das Vernachlässigen von scheinbar unerklärlichen tierischen Kräften zu rechtfertigen. Für mich steckt in dieser Geschichte die genau entgegengesetzte Lehre – ich sehe in ihr ein Beispiel dafür, wie notwendig es ist, unerklärte Phänomene zu untersuchen, statt sie zu leugnen. Früher oder später wird jeder, der sich für die unerklärten Kräfte von Tieren interessiert, auf die Geschichte vom Schlauen Hans stoßen. Unter Wissenschaftlern gilt sie als warnendes Beispiel.
Die Geschichte vom Schlauen Hans
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Berlin ein Pferd namens Hans, das in der Lage sein sollte, mathematische Rechenaufgaben zu lösen, Deutsch zu sprechen und deutsche Wörter zu buchstabieren. Die Antworten gab Hans mit Hufeklopfen wieder. Sein Trainer, Herr von Osten, ein ehemaliger Mathematiklehrer, war überzeugt, dass Hans über geistige Fähigkeiten verfügte, von denen man glaubte, sie seien auf Menschen beschränkt. Das Pferd war eine Sensation, und es wurden für Professoren, Offiziere und andere Interessierte viele Vorführungen gegeben.
Die Fähigkeiten des Schlauen Hans wurden von Professor C. Stumpf, dem Direktor des Psychologischen Instituts der Berliner Universität, und seinem Assistenten Otto Pfungst untersucht. Sie fanden heraus, dass das Pferd nur dann die korrekten Antworten geben konnte, wenn der Fragesteller selbst die Antworten kannte und wenn Hans den Fragesteller sah. Daraus schlossen sie, dass Hans keine mathematischen Fähigkeiten besitze und kein Deutsch lesen könne. Vielmehr lese er fast unmerkliche Körperbewegungen des Fragestellers, und diese gäben ihm zu verstehen, wann er mit dem Huf die richtige Zahl geklopft hatte.
Seither zieht man diese Geschichte vom Schlauen Hans heran, um unerklärte Fähigkeiten von Tieren eher »subtilen Hinweisen« als irgendwelchen geheimnisvollen Kräften, die das Tier vielleicht besitzt, zuzuschreiben. Kurz, mit dieser Geschichte sucht man die Forderung zu blockieren, die Untersuchung zu verhindern, statt sie anzuregen. Aber wenn man diese Lehre aus der Geschichte vom Schlauen Hans zieht, wird man den Untersuchungen von Stumpf und Pfungst nicht gerecht. Sie untersuchten ja eine umstrittene Behauptung, statt sie abzutun, und das war mutig von ihnen, denn ihre Schlussfolgerung richtete sich gegen die Glaubensgrundsätze von vielen ihrer Kollegen.
Die Fähigkeiten des Schlauen Hans waren nicht etwa deshalb umstritten, weil sie angeblich mit übernatürlichen Kräften verbunden waren, sondern vielmehr, weil sie angeblich bewiesen, dass Tiere denken können. Viele Wissenschaftler, vornehmlich Darwinisten, glaubten nur zu gern, dass der Schlaue Hans wirklich rechnen konnte und Deutsch verstand. Ihnen gefiel der Gedanke, dass Tiere zu rationalem Denken fähig sind, weil dies die konventionelle Überzeugung in Frage stellte, der menschliche Intellekt sei einzigartig. Sie glaubten lieber an die Vorstellung einer allmählichen Entwicklung, von graduellen Unterschieden zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren als an Unterschiede der Art. Demgegenüber waren die Traditionalisten sehr skeptisch, was den Schlauen Hans betraf, weil höhere geistige Fähigkeiten ihrer Meinung nach auf den Menschen beschränkt wären. Stumpfs und Pfungsts Befunde waren für die Traditionalisten eine Bestätigung und unbeliebt bei den »enttäuschten Darwinisten, die die Befürchtung äußerten, dass kirchliche und reaktionäre Anschauungen aus den Schlussfolgerungen für sie günstige Aussagen ableiten würden«. [4]
Auch wenn Biologen manchmal vom »Schlauen-Hans-Effekt« sprechen, als wäre er ein Grund, alle unerklärten Fähigkeiten bei Tieren abzutun, stellt dieser Effekt etwas ganz Besonderes dar. Er beruht auf der Körpersprache, die für Pferde – wie für viele andere Arten – ein wichtiges Element in ihrer Kommunikation miteinander ist. Wenn ein Tier auf einen Menschen reagieren kann, während dieser Mensch nicht zu sehen ist, dann hat das nichts mit dem Schlauen-Hans-Effekt zu tun, sondern verlangt irgendeine andere Erklärung. Im Laufe der Erforschung der unerklärten Kräfte von Haustieren habe ich herausgefunden, dass die meisten Tiertrainer und Haustierhalter sich der Bedeutung der Körpersprache durchaus bewusst sind. Aber viele Phänomene, die ich hier darstelle, wie die offenkundige Fähigkeit von Tieren, zu wissen, wann ihr Frauchen oder Herrchen heimkommt, lassen sich nicht mit dem
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