Der Sieg nach dem Krieg
der nächsten Bäckerei auf den Tisch.
»Das sind keine Marken«, entschied der Teigexperte.
»Das sind Übergangsmarken«, widersprach Jo und zog die große Fälschung aus der Tasche. »Hier unsere Entlassungspapiere. Darauf bekommen wir nächste Woche unsere Lebensmittelkarten .«
Als der Bäcker immer noch zögerte, wurde Jo energisch. »Dann muß ich den Captain holen, bei dem wir beschäftigt sind. Hier steht ausdrücklich: >this boy is okay !< «
Die Drohung mit dem Sieger half. Vielleicht war der brave Mann ein kleiner Parteigenosse gewesen. Er murmelte noch etwas, rückte aber gegen die Passierscheinabschnitte und Bezahlung in R-Mark je sechs Kilo Brot heraus.
Vom Erfolg bestätigt blieben die beiden auf ihrem dreisten Kurs. Auf der Ausgabestelle der Lebensmittelkarten fand man die forschen »boys« zwar »okay«, die vorgelegten Papiere indes ungenügend.
»Lassen Sie sich das im Entlassungslager Bad Aibling nochmal bestätigen. Dann kommen Sie wieder .«
Hier mit dem Captain zu drohen, wäre unklug gewesen. Schon weil es ihn nicht gab; der Weg ins Lager mißfiel äußerst. Bad Aibling hatte einen schlechten Ruf. Man werde dort mitunter wochenlang festgehalten — hieß es. So blieben die beiden Flieger ohne Landeerlaubnis weiter im Untergrund. Bis ihnen ein Gerücht zu Ohren kam: Die Amerikaner hätten in einer ehemaligen Kaserne an der Lazarettstraße eine Entlassungsstelle eingerichtet.
Das hörte sich besser an als Lager. Der Versuch mußte gewagt werden, einzeln und ohne die selbstgebastelten Papiere. Die Not ließ keine andere Wahl. Jo machte sich als erster auf. Wieder kurz vor Mittag, um sich bei Schwierigkeiten einen Notausgang zu sichern. Tatsächlich gab es die Dienststelle, und er konnte sofort eintreten. Die erwartete Schlange vor der Tür fehlte. Ein schlechtes Zeichen? Behörden, die zuviel Zeit für ihre Kunden haben, waren verdächtig. Was half das jetzt noch? Er stand schon drinnen; die Einheit, bei der er gedient hatte, gab es nachweislich oder hatte es gegeben. Das mußte genügen.
»Warten Sie einen Moment !« sagte die deutsche Sekretärin. Sie legte einem amerikanischen Offizier gerade mehrere Unterschriftsmappen vor, setzte sich hinter ihre Maschine und tippte weiter.
Mit Kopfnicken zeigte sich Freund Jo einverstanden. Nur nicht auffallen! Hinter halb geöffneten Lidern wanderten seine Blicke. Auf einem Tisch vor ihm lagen Entlassungsformulare. In deutscher Sprache, gestempelt und links unten mit einer Unterschrift versehen. Der Offizier unterschrieb rechts unten, die Sekretärin, eine zweckentfremdete Dame mit Bandringen — ein Zeichen für beste Familie — tippte nach einer Liste weitere Entlassungen.
Der Augenblick schien günstig. Beide würdigten den Kunden keines Blickes. Er könnte seinen Hut auf den Tisch legen, neben den Stapel mit links unterschriebenen aber noch nicht ausgefüllten Formularen. Nach kurzem Zögern könnte er ihn wieder wegnehmen, mit einem Formular darunter und sagen, er werde später noch einmal vorbeikommen.
Als sich die Hand mit dem Hut neben den Stapel senkte, sah die Sekretärin auf: »Waren Sie bei der SS ?«
»Um Gotteswillen nein !« stotterte Jo. »Ich war Jagdflieger .« »Verwundet ?«
Daß er nicht sofort antwortete, konnte einen falschen Eindruck bewirken. Er wollte »ja« sagen, doch sie kam ihm zuvor. »Ich brauche eine Verwundung. Sonst können wir Sie nicht entlassen .«
Der amerikanische Offizier hörte nicht zu, wie ein Seitenblick bestätigte. Oder er verstand kein Deutsch. Auch bei der Antwort: »Ich bin abgeschossen worden«, reagierte er nicht.
»Und ?« fragte die Sekretärin. »Dann hatten Sie mindestens eine schwere Gehirnerschütterung ?«
Hatte er die gehabt? Was sollte er von der eilfertigen Unterstellung halten? Richtig! Sie brauchte einen Schaden, um entlassen zu können. Sein Nicken mit dem angesprochenen Körperteil veranlaßte sie, ein neues Formular in die Maschine einzuspannen, ihn die Personalien abzufragen und alle Daten, bevor sie sie tippte, unnötig laut und deutlich zu wiederholen.
Auch das ließ den Amerikaner ungerührt. Ohne aufzuschauen unterschrieb er weiter. Aber die Prüfung war noch nicht ausgestanden. Gleich würden die Fragen kommen, die der Kunde nicht beantworten konnte, Fragen nach Beweisen für die Richtigkeit seiner Angaben, Fragen nach Soldbuch, Flugschein, einem alten Reisepaß, der polizeilichen Anmeldung oder einem provisorischen Entlassungsschein. Wenn sie den fanden, war ihm
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