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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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der Transport nach Bad Aibling sicher.
    Alle Befürchtungen erübrigten sich; die Fragen blieben aus. Die damenhafte Sekretärin nahm das Formular aus der Maschine, reichte es dem Offizier hinüber, der unterschrieb, weiterhin stumm.
    »Okay.« In der Hand am ausgestreckten Arm schwebte die Landeerlaubnis im befreiten Deutschland. Gleichsam als drücke er den Steuerknüppel nach vorn, griff Jo zu.
    »Sonst noch was?« Ihre Frage ließ ihn vollends auf dem Boden der Wirklichkeit auf setzen: er war entlassen. Und entlassen! Mit deutlichem »nein« und ohne Dank, damit es nicht nach Unsicherheit aussehe, verließ er die schicksalsträchtige Kasernenstube.
    Ähnlich glatt ging es anderntags bei seinem Kameraden. Die Unterschrift links stammte von einem Arzt. Ohne Untersuchung. Merkwürdig! Aber schwarz auf weiß. Nun waren sie amtlich ernährungsberechtigt, wurden registriert und bekamen Lebensmittelkarten. Die nächste Zwickmühle; nämlich erst Zuzugsgenehmigung, dann Wohnraum, beziehungsweise erst Wohnraum, dann Zuzug, erforderten neue Überlegungen: Ei oder Zigaretten? Für staatlich anerkannte Lebewesen ein vergleichsweise bescheidenes Problem.

    Monate später besuchte Jo seinen ehemaligen Kommandeur im Rheinland. Dabei kam die wundersame Entlassung zur Sprache. Der Major a.D. lächelte merkwürdig. Er kannte die hilfreiche Dienststelle nicht nur, er wußte auch, daß es ähnliche Büros in anderen Städten gegeben hatte. Sie seien notwendig gewesen, um deutschen Soldaten nachträgliche Kriegsgefangenschaft, zumindest unfreiwillige Wochen oder Monate in Lagern, zu ersparen. Er selbst sei, wie er durchblicken ließ, Mitinitiator, besser gesagt, der eigentliche Erfinder dieser Einrichtung gewesen.
    Jo wollte wissen, wie man als deutscher Offizier amerikanische Dienststellen erfinden könne. Seine Frage löste wieder dieses merkwürdige Lächeln aus.
    »So amerikanisch waren die gar nicht«, erfuhr er. »Der Captain in München war in Wirklichkeit deutscher Offizier, im Zivilberuf Exportkaufmann, der jahrelang in den USA gearbeitet hatte. Alle haben sie drüben gelebt und sprechen akzentfrei englisch. Die Uniformen waren geklaut. Nicht nur die. Auf dem Briefpapier eines US-Generals haben wir die Befehle verfaßt, daß diese Entlassungsstellen einzurichten und den Beauftragen seitens der Kommandanturen jede Hilfe zu gewähren sei. Alle bekamen Büros, Unterkünfte, Jeeps mit Fahrer und amerikanische Verpflegung. Selbst die Formulare wurden nach unseren Angaben gedruckt. Wenn man die Sprache beherrscht, Organisation und Mentalität kennt, ist so etwas im ersten Durcheinander der Dienststellen, Kompetenzen und Befehle relativ einfach. Als Sonderbeauftragte mußten sich unsere Herrn nie ausweisen. Wir haben vielen geholfen und sind rechtzeitig wieder verschwunden .«
    Freund Jo schlug die Hände zusammen. Wenn das rauskommt! Was werden die Amerikaner sagen?
    Und er glaubte die Antwort zu ahnen: »This boy is okay .«

Erst wohnen, dann hoffen

    D ie Familie Defregger, bei der ich wohnte — es gab eigentlich keine Familie, bei der nicht wenigstens noch eine andere Familie wohnte — hatte ihr unzerbombtes Haus rechtzeitig mit Freunden vollgestopft. Ebenso die Wohnung des Sohnes, meines Schulfreundes, in unmittelbarer Nähe. Damit entfielen jene atmosphärischen Störungen und Reibereien, die bei eingewiesenen Familien oder Einzelpersonen von unterschiedlicher Erziehung unvermeidlich sind, und in Küche und Sanitärbereich besonders unangenehm sein können.
    Das hob die Laune. Wir bildeten so etwas wie eine Kommune. Alle kannten und schätzten einander, lebten nach den gleichen Spielregeln, und wenn es Ärger gab, dann wegen Bagatellen. Es ging vergleichsweise österreichisch zu in diesem Paying-guest-house, k. & k.-österreichisch, noble Bohème mit alten Möbeln, großzügig alles, nichts weggesperrt. Die österreichische Mentalität ist für Zusammenbrüche ja ungleich geeigneter. Des Hausherrn Vater war der Tiroler Maler Franz von Defregger, mein Schulfreund sein Enkel. Überall im Haus hingen Originale.
    In diesem ungetrübten Milieu fand kein Brutzeln hinter verschlossenen Türen unter eifersüchtigem Schnuppern der andern Untermieter statt. Bei uns gab jeder seine Lebensmittelkarten in der Küche ab, was der Frau des Hauses einen gewissen Jonglierspielraum ermöglichte, der allen zugute kam. Wie in einer großen Familie wurden die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen. Meist in vergnügter Runde, auch wenn man

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