Der Sieger bleibt allein (German Edition)
gewagt, sie von der Gala abzuziehen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Verbrechen nicht in dieselbe Sparte wie gesellschaftliche Ereignisse fielen und nicht halb so viel Auflagen oder Quoten brachten wie diese.
Wer auf Luxusjuwelen spezialisiert ist, lässt sich nicht auf abenteuerliche Filmprojekte ein. Wer große Veranstaltungen managt, weiß, dass ungeachtet allen Blutes, das in diesem Augenblick auf der Welt vergossen wird, die Leute immer in erster Linie auf Fotos scharf sein werden, die eine heile, unerreichbare, opulente Welt vorgaukeln.
Morde passieren jederzeit und überall, im Nachbarhaus oder eine Straße weiter, Galas wie diese dagegen nur auf dem Gipfel der Welt. Was aber könnte Normalsterbliche mehr interessieren?
Die vollkommene Party natürlich!
Deren Vorbereitungen Monate zuvor bereits mit Pressemitteilungen begonnen hatten, in denen berichtet wurde, ein weltbekannter, renommierter Juwelier werde wie jedes Jahr seine große Gala in Cannes ausrichten und alle Einladungen seien bereits verschickt worden. Ganz so war es aber nicht: Zu dem Zeitpunkt hatte die Hälfte der Eingeladenen eine Art Voreinladung erhalten, die sie höflich aufforderte, sich das Datum frei zu halten.
Da sie die Notiz in der Presse gelesen haben, werden sie sofort antworten. Sie halten sich das Datum frei. Kaufen ihre Flugtickets und zahlen bereitwillig zwölf Hotelübernachtungen, obwohl sie nur 48 Stunden in der Stadt bleiben werden. Sie müssen allen zeigen, dass sie immer noch zur Superklasse gehören, was letztlich Geschäfte erleichtern, Türen öffnen, das Ego nähren wird.
Zwei Monate später kommt die luxuriöse Einladung. Die Frauen beginnen nervös zu werden, weil sie noch immer nicht entschieden haben, welches das beste Kleid für die Gelegenheit sein würde, die Männer weisen ihre Sekretärin an, ein paar Bekannte anzurufen, um nachzufragen, ob sie sich vor dem Galadinner in der Bar treffen könnten, um Berufliches zu besprechen. Das ist die männliche Art zu sagen: »Ich bin zur Gala eingeladen, du auch?« Wenn die anderen antworten, sie seien zu beschäftigt und würden es wahrscheinlich in diesem Jahr nicht schaffen, nach Cannes zu reisen, ist die Botschaft klar: Der »volle Terminkalender« ist die Ausrede für die Tatsache, dass bislang noch keine Einladung eingegangen ist.
Kurz darauf wird der »vielbeschäftigte Mann« damit beginnen, Freunde, Berater, Gesellschafter zu mobilisieren, bis auch er eine Einladung bekommt. Der Gastgeber kann so auswählen, wer in die zweite Hälfte der Gäste aufrücken darf, wobei ihm drei Dinge wichtig sind: Macht, Geld, Kontakte.
Die perfekte Gala.
Ein professionelles Team wird engagiert. Wenn der große Tag gekommen ist, lautet die Anweisung, so viel alkoholische Getränke wie möglich zu servieren, vorzugsweise den unübertroffenen, legendären französischen Champagner. Die ausländischen Gäste glauben dann, etwas enorm Teures zu trinken, was nicht der Fall ist, weil der Champagner im Herstellungsland selbstverständlich viel billiger ist als bei ihnen zu Hause. Die Frauen – auch Ewa – finden, dass die goldfarbene Flüssigkeit in ihrem Glas ihr Kleid, die Schuhe, die Handtasche bestens zur Geltung bringt. Die Männer haben ebenfalls ein Glas in der Hand, trinken aber sehr viel weniger. Sie sind gekommen, um sich mit einem Konkurrenten auszusöhnen, den Vertrag mit einem Lieferanten festzuzurren oder einen potentiellen Kunden zu treffen, der ihre Produkte vertreiben soll. Hunderte von Visitenkarten werden an einem solchen Abend ausgetauscht – meist zwischen Geschäftsleuten. Ein paar werden selbstverständlich den schönen Frauen zugesteckt, aber alle wissen, dass dies reine Papierverschwendung ist, denn niemand ist dort, um den Mann oder die Frau seines Lebens zu treffen, sondern nur um Geschäfte zu machen, zu glänzen und um sich möglicherweise etwas zu amüsieren. Das Amüsement ist allerdings nur Zugabe und darum verzichtbar.
Die Gäste der Gala könnte man an den drei Winkeln eines imaginären gleichschenkligen Dreiecks ansiedeln. Auf der einen Seite der Basis befinden sich die, die alles erreicht haben, ihre Tage auf Golfplätzen, bei nicht enden wollenden Lunchs in exklusiven Clubs verbringen – und die genügend Geld haben, um in teuren Läden nicht nach dem Preis fragen zu müssen. Sie sind gesellschaftlich ganz oben angelangt und bemerken nun etwas, was sie von sich nie erwartet hätten: Sie können nicht allein sein. Die Gesellschaft des
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