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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Ehepartners ertragen sie nicht mehr, also sind sie ständig unterwegs im Glauben und in der Hoffnung, für den Rest der Menschheit noch wichtig zu sein. Aber sie haben auch herausgefunden, dass in dem Augenblick, in dem sie sich aus dem Berufsleben zurückziehen, ihr Alltag genauso langweilig wird wie der eines Angehörigen der Mittelschicht: Frühstück, Zeitungslektüre, Mittagessen, anschließend eine kleine Siesta, Abendessen, Fernsehen. Einladungen zu Abendessen nehmen sie meistens an. An den Wochenenden gehen sie zu gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen. Und den Urlaub (selbst wenn sie schon nicht mehr im Berufsleben stehen, sprechen sie noch von »Urlaub«) verbringen sie an Orten, die gerade in Mode sind.
    Im gegenüberliegenden Winkel des Dreiecks sind an der Basis die zu finden, die es noch nicht geschafft haben: Sie rudern im aufgewühlten Wasser und versuchen krampfhaft, den Widerstand der Sieger zu brechen und selbst dann Fröhlichkeit an den Tag zu legen, wenn ihre Eltern im Krankenhaus liegen oder wenn sie verkaufen müssen, was ihnen noch nicht gehört.
    Auf dem Scheitelpunkt des Dreiecks aber befindet sich die Superklasse.
    Das ist die ideale Mischung für ein Galadinner: Diejenigen, die es geschafft haben, oben anzukommen, ihr Leben gelebt haben, jetzt aber, obwohl ihr Geld für mehrere Generationen reicht, keinen Einfluss mehr haben und nun, wo es zu spät ist, sehen müssen, dass Macht wichtiger ist als Reichtum. Diejenigen, die es noch nicht geschafft haben und sich mit aller Kraft und Begeisterung bemühen, der Gala Glanz zu verleihen, und dann trotz der vielen verteilten Visitenkarten ein paar Wochen später feststellen müssen, dass niemand sie anruft. Und schließlich diejenigen, die in dem Wissen, dass dort oben ein scharfer Wind weht und sie leicht in den Abgrund stürzen könnten, ganz oben auf dem Gipfel balancieren und das Gleichgewicht zu halten versuchen.
     
    Leute kommen weiterhin auf Hamid zu, um sich mit ihm zu unterhalten; niemand erwähnt den Mord – entweder, weil in der Welt, in der sie leben, solche Dinge nicht geschehen und sie deshalb nichts davon erfahren, oder aus Höflichkeit, was er allerdings stark bezweifelt. Er blickt um sich und sieht die üblichen Modesünden: Frauen mittleren Alters, die sich wie 20-Jährige kleiden. Merken sie denn nicht, dass es an der Zeit ist, ihren Stil zu ändern? Hamid wechselt mit diesem oder jenem ein paar Worte, nimmt lächelnd Komplimente entgegen, stellt Ewa den wenigen vor, die sie noch nicht kennen. Dabei hat er nur einen Gedanken: Jasmine zu treffen und in den nächsten fünf Minuten für die Fotografen zu posieren.
    Ein Industrieller und seine Frau schwärmen von ihrer letzten Begegnung mit ihm – Hamid kann sich nicht daran erinnern, nickt aber höflich. Sie reden von Reisen, die sie unternommen, Menschen, die sie getroffen haben, und von neuen Projekten. Niemand stellt entscheidende Fragen wie »Sind Sie wirklich glücklich?« oder »Worin liegt, nach allem, was wir erlebt haben, tatsächlich der Sinn des Sieges?«. Wenn man zur Superklasse gehört, hat man sich so zu verhalten, als wäre man zufrieden und erfüllt, und damit basta. Die Frage »Was werde ich, jetzt, wo ich alles habe, was ich mir erträumte, in Zukunft machen?« stellt man sich allenfalls selber.
    Eine hagere, düstere Gestalt in enger schwarzer Hose unter einer indischen Tunika und die aussieht, als sei sie einem Comic entstiegen, tritt zu ihm hin:
    »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich störe, Monsieur Hamid, aber...«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich arbeite zurzeit für Sie.«
    Was sollte das?
    »Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin. Über den traurigen Todesfall bin ich hinreichend informiert, bitte behelligen Sie mich nicht weiter.«
    Doch der seltsame Kerl lässt sich nicht abwimmeln. Hamid ist die Situation peinlich. Seine Bekannten, die den seltsamen Dialog womöglich mitbekommen haben, werden sich fragen, was für seltsame Leute für ihn arbeiten.
    »Monsieur Hamid, ich werde jetzt die junge Schauspielerin holen, die in ihrem Film mitspielen wird, und sie Ihnen vorstellen. Ich musste sie einen Augenblick allein lassen, weil ich einen Anruf erhalten habe...«
    »Später. Ich warte gerade auf Jasmine Tiger.«
    Endlich ist er das seltsame Wesen los! Die Filmschauspielerin! Armes Mädchen, an ein und demselben Tag unter Vertrag genommen und gekündigt.
    Ewa hält in der einen Hand ein Champagnerglas und in der anderen das Mobiltelefon, zwischen

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