Der Sieger bleibt allein (German Edition)
nähern hieße, den Preis in die Höhe zu treiben, und es wäre zudem auch noch unhöflich. Alles hat seine Zeit, besser auf den richtigen Augenblick warten.
»Ich finde, wir sollten gehen.«
Offenbar fühlt sich Ewa von den Fragen der Journalisten bedrängt.
»Vergiss es! Ich will nicht herzlos sein, aber gleichzeitig kann ich nicht ausgerechnet dann kneifen, wenn offenbar wird, was du mir von vornherein gesagt hast: dass ich das mit dem Film lassen soll. Wir sind auf dieser Gala und werden bleiben, bis sie zu Ende ist.«
Seine Stimme hat härter geklungen als beabsichtigt, doch Ewa scheint sich daran nicht zu stören – als wären ihr seine Liebe oder sein Hass gleichgültig. Er fährt in angemessenerem Tonfall fort:
»Schau nur, die Gala ist doch perfekt! Unser Gastgeber muss ein Vermögen dafür bezahlt haben, hier in Cannes präsent zu sein, ganz zu schweigen von den Reise- und Hotelkosten für die Celebritys, die er eigens eingeflogen hat, damit sie an diesem sündhaft teuren Galadinner seine Gäste sind. Du kannst sicher sein, dass er mit der Präsenz dieser Leute zehn- bis zwölfmal so viel Gewinn machen wird, wie sie ihn gekostet hat: ganze Seiten in Zeitschriften, Zeitungen, Sendezeit bei Fernsehsendern, Stunden in den Sendern des Kabelfernsehens, die nichts weiter zeigen als große gesellschaftliche Ereignisse. Frauen werden seinen Schmuck mit Glamour und Ruhm verbinden, Männer seine Uhren als Zeichen von Macht und Reichtum tragen wollen. Junge Leute werden die Modeseiten aufschlagen und denken: ›Eines Tages möchte ich dahin und das Gleiche tragen.‹«
»Lass uns bitte gehen! Ich habe eine böse Vorahnung!«
Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Den ganzen Tag hat er die schlechte Laune seiner Frau anstandslos ertragen. Ständig hat sie ihr Mobiltelefon aufgeklappt, um nachzusehen, ob weitere sms gekommen waren. Er fängt sogar ernsthaft an, zu befürchten, dass etwas Seltsames im Gange ist. Ein anderer Mann? Ihr Exmann, den er in der Hotelbar gesehen hat und den sie irgendwo treffen will? Aber wenn das so ist, warum verschließt sie sich dann so, anstatt mit ihm offen über ihre Gefühle zu sprechen?
»Komm mir nicht mit bösen Vorahnungen! Ich versuche, dir liebevoll zu erklären, wozu solche Galas gut sind. Wenn du deinen Traum verwirklichen und Modedesignerin werden, oder auch, wenn du wieder eine Boutique eröffnen und Haute Couture verkaufen willst, kannst du heute Abend auf dieser Gala viel lernen.
Übrigens, als ich dir sagte, ich hätte gestern Abend in der Bar deinen Exmann gesehen, warst du es, die meinte, er könne es unmöglich gewesen sein. Behältst du seinetwegen dein Handy ständig an?«
»Er hat hier überhaupt nichts zu tun!«, antwortet Ewa, dabei hätte sie viel lieber gesagt: ›Ich weiß, wer dein Filmprojekt sabotiert hat. Und ich weiß auch, dass er noch viel mehr tun kann. Versteh doch, dass wir beide in Gefahr sind! Lass uns bitte gehen!‹
»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Die Antwort ist: Ja. Deshalb habe ich mein Handy an. Denn ich kenne ihn, ich spüre, dass er in der Nähe ist, und ich habe Angst.«
Hamid lacht. »Ich bin auch in der Nähe.«
Ewa nimmt ein Champagnerglas und trinkt es in einem Zug aus.
Er dagegen schweigt, sieht darin nur eine weitere Provokation.
Er blickt um sich, versucht die Nachrichten zu vergessen, die auf seinem Handydisplay erschienen waren. Er wartet auf eine Möglichkeit, Fotos mit Jasmine machen zu lassen, bevor alle in den Saal gerufen werden, in dem das Abendessen serviert wird und zu dem Fotografen keinen Zutritt haben. Es hätte keinen schlechteren Zeitpunkt für den Vergiftungstod des berühmten Schauspielers geben können: Niemand fragt jetzt mehr nach dem großen Vertrag, den er mit dem unbekannten Model abgeschlossen hat. Eine halbe Stunde zuvor hatten sie sich für nichts anderes interessiert; aber jetzt nicht mehr.
Obwohl ihm die Welt des Luxus und des Glamours seit vielen Jahren vertraut ist, bleibt ihm noch viel zu lernen. Sein Millionenvertrag mit Jasmine ist schnell in Vergessenheit geraten, seinem Gastgeber aber gelingt es, das Interesse an der Gala weiterhin aufrechtzuerhalten. Keiner der Fotografen und Journalisten hat die Gala verlassen und ist zur Polizeistation oder ins Krankenhaus gefahren, um an Ort und Stelle zu erfahren, was genau geschehen war. Zugegeben, es sind Modejournalisten und -fotografen, doch auch sonst hätten die Fernseh- und Zeitschriftenredaktionen nie
Weitere Kostenlose Bücher