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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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machen.
    Mit verschränkten Armen, die Füße ungefähr drei M e ter weit auseinander, steht am Rand des Marktplatzes Seine Exzellenz Charlie, der Siedlungsgouverneur, und beobachtet uns. Milchmädchen tragen Milchkannen durch die Gegend. Schuster benageln Schuhe. Der Schmied hämmert auf einem Stück Eisen herum, und wie alle anderen tut auch er so, als achtete er nicht auf Denny, der auf der Mitte des Marktplatzes wieder in den Stock geschlossen wird.
    »Die haben mich beim Kaugummikauen erwischt«, sagt Denny zu meinen Füßen.
    In dieser gebückten Haltung fängt ihm die Nase zu laufen an. Er schnieft. »Diesmal«, sagt er und schnieft, »wird Seine Hoheit mich garantiert beim Rat verpetzen.«
    Die obere Hälfte des Holzrahmens wird ihm um den Nacken gelegt, und ich achte darauf, dass ihm die Haut nicht eingequetscht wird. »Tut mir Leid für dich, Mann«, sage ich. »Du wirst ganz schön frieren.« Dann hänge ich das Schloss ein. Und ziehe einen Lappen aus der Westentasche.
    Ein klares Rotztröpfchen hängt an Denny an der N a senspitze. Ich halte den Lappen darunter und sage: »Schnaub, Mann.«
    Denny schnaubt einen fetten Klumpen aus, der spü r bar in den Lappen klatscht.
    Der Lappen ist jetzt schon ziemlich ekelhaft und voll gesabbert, aber wenn ich ihm jetzt ein schönes saub e res Papiertaschentuch gebe, bin ich der Nächste, an dem eine disziplinarische Strafe vollzogen wird. Es gibt unzählige Fehler, die man hier machen kann.
    Auf seinen Hinterkopf hat jemand mit rotem Filzstift geschrieben: »Leck mich.« Also schüttle ich seine stinkende Perücke aus, um die Schrift wieder abzud e cken, nur hat sich die Perücke mit einer widerlichen braunen Brühe voll gesogen, die ihm jetzt über den rasierten Schädel rinnt und von der Nasenspitze tropft.
    »Ich bin wirklich ein Ausgestoßener«, sagt er und schnieft.
    Vor Kälte zitternd, sagt Denny: »Mann, irgendwo zieht ’ s hier … Ich glaube, mir ist hinten das Hemd aus der Hose gerutscht.«
    Er hat Recht. Touristen fotografieren seine Arschspalte von allen Seiten. Der Siedlungsgouverneur beobachtet die Szene, und die Touristen filmen ungerührt weiter, während ich mit beiden Händen Dennys Hosenbund packe und ihn wieder hochziehe.
    Denny sagt: »Es hat auch was Gutes, dass ich da u ernd in den Stock geschlossen werde. Jetzt bin ich insgesamt schon drei Wochen enthaltsam.« Er sagt: »Weil ich ja nicht alle halbe Stunde aufs Klo gehen und mir einen runterholen kann.«
    Und ich sage: »Bild dir bloß nicht ein, das wäre ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich explodierst du de m nächst.«
    Ich nehme seine linke Hand und schließe sie ein; dann die rechte. Denny hat diesen Sommer so oft im Stock verbracht, dass er weiße Ringe an Hals und Handg e lenken hat, weil dort nie die Sonne hinkommt.
    »Am Montag«, sagt er, »habe ich aus Versehen die Armbanduhr angelassen.«
    Wieder rutscht ihm die Perücke runter und landet im Schlamm. Das Halstuch, triefend von Rotz und Kot, hängt ihm ins Gesicht. Die Japaner kichern, als wäre das ein Spaß, den wir eigens für sie einstudiert hätten.
    Der Siedlungsgouverneur mustert Denny und mich immer noch, ob wir irgendwas historisch Unpassendes an uns haben; dann könnte er den Stadtrat dazu bri n gen, uns in die Wildnis zu verbannen. Man würde uns einfach aus der Stadt jagen und den Wilden ausliefern, die uns Arbeitslose mit Pfeilen beschießen und ma s sakrieren würden.
    »Am Dienstag«, erzählt Denny meinen Schuhen, »hat seine Hoheit Vaseline auf meinen Lippen entdeckt.«
    Jedes Mal, wenn ich die blöde Perücke aufhebe, wiegt sie mehr. Diesmal schlage ich sie erst an meinem Sti e fel aus, ehe ich sie wieder auf seinem mit »Leck mich« beschrifteten Schädel drapiere.
    »Heute Vormittag«, sagt Denny und schnieft. Er spuckt irgendein klebriges braunes Zeug aus, das ihm in den Mund geraten ist. »Vor dem Mittagessen hat Gevatterin Landson mich hinter dem Bethaus beim Rauchen erwischt. Und als ich dann hier eingeschlo s sen war, hat mir irgendein bescheuerter Viertklässler die Perücke abgenommen und mir diesen Scheiß auf den Schädel geschrieben.«
    Ich wische ihm mit meinem Rotzlappen den schlimm s ten Dreck aus Augen und Mund.
    Ein paar schwarz-weiße Hühner, Hühner ohne Augen oder mit nur einem Bein, diese missgestalteten Vi e cher also kommen angewackelt und picken an meinen glänzenden Stiefelschnallen herum. Der Schmied hämmert weiter auf sein Eisen, immer zwei schnelle und drei langsame Schläge, genau im

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