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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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bestraft.«
    Bestraft?
    »Entweder entlassen«, sagt er, »oder zwei Stunden im Stock.«
    Im Stock?
    »Auf dem Marktplatz«, sagt er.
    Er meint Fesseln. Sadismus. Rollenspiele und öffentl i che Demütigung. Der Gouverneur l ässt einen in g e wirkten Strümpfen und hautengen Wollhosen ohne Unterwäsche herumlaufen und nennt das authentisch. Der Kerl schließt Frauen in den Stock, bloß weil sie sich die Nägel lackiert haben. Entweder das, oder man wird gefeuert, ohne Arbeitslosengeld, ohne alles. Und kriegt noch ein schlechtes Zeugnis dazu. Und natürlich will keiner in seinem Lebenslauf stehen haben, dass er mal ein beschissener Kerzenmacher war.
    Als unverheiratete Fünfundzwanzigjährige im ach t zehnten Jahrhundert waren unsere Möglichkeiten ziemlich eingeschränkt. Lakai. Lehrling. Totengräber. Küfer, was auch immer das sein mag. Flickschuster, was auch immer das sein mag. Kaminkehrer. Bauer. Kaum erwähnen die was von Ausrufer, sagt Denny: »Ja. Okay. Das mach ich. Im Schreien war ich schon immer gut.«
    Seine Exzellenz sieht Denny an und sagt: »Die Brille. Brauchen Sie die?«
    »Nur zum Sehen«, sagt Denny.
    Ich habe den Job genommen, weil es Schlimmeres gibt, als mit seinem besten Freund zusammenzuarbe i ten.
    Falls ich ihn meinen besten Freund nennen kann.
    Jedenfalls sollte man meinen, das müsste doch ganz lustig sein, ein lustiger Job, wie bei einer Theatergru p pe, irgendwas Nettes mit Laienschauspielern. Und nicht mit so einem erbärmlichen Haufen von Zurüc k gebliebenen. Mit diesen puritanischen Heuchlern.
    Wenn der ehrwürdige Stadtrat das wüsste! Mistress Plain, die Näherin, hängt an der Nadel. Der Müller f a briziert Crystal Meth. Der Gastwirt verkauft LSD an die Busladungen gelangweilter Teenager, die auf Schu l ausflügen hierher geschleppt werden. In atemloser Spannung sehen die Kinder zu, wie Mistress Halloway Wolle kardätscht und zu Garn spinnt, und während sie ihnen dabei einen Vortrag über Schafzucht hält, kna b bert sie an ihren Haschischkeksen. Alle diese Leute, der Töpfer auf Methadon, der Glasbläser auf Percodan, der Silberschmied auf Vicodin – sie alle haben ihre Nische gefunden. Der Stalljunge nimmt Special K, er hat seine Kopfhörer unter dem Dreispitz versteckt und tänzelt zu seiner Privatmusik. Das alles sind ausg e brannte Hippies, die ihren agrarischen Scheiß verh ö kern, aber gut, das ist bloß meine Meinung.
    Auch Bauer Reldon hat ein Beet mit erstklassigem Gras angelegt, weiter draußen, hinter dem Mais und den Stangenbohnen und all dem Mist. Nur dass das Gras bei ihm Hanf heißt.
    Das einzig Komische an dem alten Dunsboro ist, dass es vielleicht zu authentisch ist, wenn auch aus den falschen Gründen. Wenn ich mir diese Versager und Spinner ansehe, die sich hier draußen verkriechen, weil sie es in der realen Welt, in richtigen Jobs, zu nichts bringen können: War dies nicht der Grund, w a rum wir überhaupt aus England fortgezogen sind? Um uns eine alternative Wirklichkeit aufzubauen? W a ren die Pilgerväter nicht eigentlich die Verrückten ihrer Zeit?
    Na ja, jedenfalls wollen die Versager, mit denen ich zusammenarbeite, statt bloß einem etwas anderen Glauben an die Liebe Gottes nachhängen zu wollen, ihre Erlösung in zwanghaften Verhaltensweisen finden.
    Oder in Macht-und Demütigungsspielchen. Nehmen wir Seine Exzellenz Charlie, diesen Vornehmtuer, di e sen gescheiterten Schauspielschüler. Hier ist er das Gesetz, und wenn er zusieht, wie einer von uns in den Stock geschlossen wird, spielt er sich mit seiner weiß behandschuhten Hand an der Nudel rum. Natürlich wird einem so was nicht im Geschichtsunterricht e r zählt, aber damals, in den kolonialen Zeiten, war ein Mensch, der über Nacht in den Stock geschlossen worden war, geradezu Freiwild, das von jedem gen a gelt werden durfte. Männer und Frauen, die in dieser gebückten Haltung verharren mussten, konnten u n möglich erkennen, wer sie da von hinten rammelte, und das war auch der wahre Grund, warum man auf keinen Fall dort landen wollte, es sei denn, man hatte irgendeinen Angehörigen oder einen Freund, der die ganze Zeit neben einem Wache hielt. Um dich zu b e schützen. Um buchstäblich auf deinen Arsch aufzupa s sen.
    »Mann«, sagt Denny, »meine Hose schon wieder.«
    Also ziehe ich sie ihm wieder rauf.
    Der Regen hat ihm das Hemd flach auf den hageren Rücken gebügelt, darunter sieht man die Schulterkn o chen und das Rückgrat, noch weißer als der ung e bleichte Baumwollstoff. Unten

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