2941 - Die Zeit läuft ab
Phil und ich waren bereits auf dem Sprung gewesen, wollten in den verdienten Feierabend gehen.
»Mister High will euch sofort in seinem Büro sprechen«, sagte Helen, die in der Tür zu unserem Büro stand.
Wir schlüpften in unsere Sakkos und eilten hinter Helen her, die uns bis zur Durchgangstür zum Büro von Assistant Director High führte.
»Das sind Special Agent Cotton und sein Partner, Special Agent Decker. Mister Halver, der Präsident von MedFuture «, sagte der Chef.
Wir setzten uns zu den beiden Männern an den Besprechungstisch. Dabei musterte ich den mittelgroßen, dunkelblonden Mann im eleganten Anzug. Jason Halver war oft genug in den Wirtschaftsnachrichten, um sein Gesicht zu kennen.
Ich wusste nur wenig über MedFuture , den Zusammenschluss eines Pharmaunternehmens mit einer sogenannten Lifestyle-Firma. Aus der Fusion war ein Unternehmen hervorgegangen, das weltweit mit Medikamenten und Produkten aus dem Kosmetiksegment sehr große Umsätze erzielte.
»Das Unternehmen wird erpresst, und so wie es aussieht, besteht dringender Handlungsbedarf«, informierte uns Mr High.
Der Chef aktivierte den Wandmonitor.
»Diese Website wurde von den Erpressern ins Netz gestellt, damit jedermann das Ultimatum verfolgen kann«, erzählte Jason Halver.
Seine Stimme klang fest und zeigte keine Emotionen, so wie ich sie von einem Erpressungsopfer erwartet hätte.
»Haben Sie konkrete Hinweise, wer das erste Opfer sein soll, falls Sie diesen Fonds nicht einrichten?«, fragte ich.
Der kurze Text auf der Website verriet mir immerhin, dass die Erpresser dem Unternehmen vierundzwanzig Stunden zur Einrichtung eines Fonds mit einem Vermögen von 95 Millionen Dollar einräumten. Sobald die Frist verstrichen war, sollte eine dem Unternehmen nahestehende Person sterben.
»Ich versuche seit Stunden, meine Tochter Daryll zu erreichen. Vergeblich«, erwiderte Halver.
Seine kühle Überlegenheit war schwer zu ertragen.
»Das Ultimatum läuft in zwei Stunden ab und Sie kommen erst jetzt zu uns?«, fragte ich ungläubig.
Halver krauste irritiert die Stirn.
»Zunächst hielt ich das Ganze für einen schlechten Scherz, Agent Cotton. Mein Verhältnis zu Daryll ist sehr distanziert, und daher ging ich bislang davon aus, dass sie meine Anrufe und elektronischen Nachrichten schlicht ignoriert hätte«, erwiderte er.
»Was hat Ihre Meinung geändert?«, fragte Phil.
Das resultierte aus einem Anruf des NYPD. Die Mitbewohnerin von Daryll hatte einen Einbruch gemeldet und konnte Halvers Tochter nicht erreichen.
»Da wusste ich, dass ihr etwas passiert sein musste. Finden Sie Daryll, bevor das Ultimatum abläuft«, forderte Halver.
Ich warf einen Blick hinauf zum Wandmonitor, bevor ich mich wieder dem Präsidenten von MedFuture zuwandte.
»Dafür reicht die Zeit nicht aus, Sir. Der sicherste Weg, um das Leben Ihrer Tochter nicht zu gefährden, ist die Erfüllung der Forderung. Richten Sie den Fonds ein und geben Sie es in den Medien bekannt«, sagte ich.
Als Jason Halver das brüsk zurückwies, konnte ich es kaum glauben.
»Das geht nicht, Agent Cotton. Sie haben ja keine Ahnung, welche juristischen und finanziellen Folgen die Einrichtung des Fonds hätte. Es käme einem Schuldeingeständnis gleich«, erklärte er.
Im Text auf der Website wurde der Name eines Medikaments genannt. Bisher war mir nicht klar, welcher Zusammenhang mit der Erpressung bestand.
»Was hat es mit diesem Medikament auf sich, Mister Halver? Wer sind die Geschädigten?«, fragte ich.
Er druckste einen Augenblick herum, doch dann räumte er Zwischenfälle in Verbindung mit der Einnahme des Medikaments ein.
»Wir haben es natürlich sofort vom Markt genommen, obwohl bis heute der Zusammenhang zwischen der Einnahme und den Erkrankungen keineswegs nachgewiesen wurde. Es war eine moralische Geste, die mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden war«, erwiderte er.
»Welcher Art waren die Zwischenfälle?«, hakte Phil nach.
Zuerst wollte Halver nicht so wirklich mit der Sprache herausrücken. Erst als Mr High ihn nachdrücklich aufforderte, gab der Präsident von MedFuture endlich Auskunft.
»Das Präparat sollte die unerwünschten Nebenwirkungen im Verlauf einer Schwangerschaft abmildern. Keine morgendliche Übelkeit mehr oder weniger Einlagerung von Wasser in den Extremitäten. Die meisten Frauen waren ausgesprochen zufrieden mit der Wirkung, aber es gab leider einen kleinen Prozentsatz von Fehlgeburten oder Kindern mit Missbildung«,
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