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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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den Mund, als er die biologischen Konsequenzen dessen bedachte, was der Midkemier gerade über seine Mutter gesagt hatte. Dann wurde er rot vor Wut und schwang seine Peitsche, der der Barbar jedoch geschickt auswich. Nun entwickelte sich zwischen dem großen Midkemier und dem kleinen, fetten Tsurani eine wilde Jagd.
    Lujan lachte. »Es ist eine Schande, daß der Wille des Barbaren gebrochen werden muß. Diese Komödie entspricht ohne weiteres dem Niveau vieler der reisenden Theatergruppen, die ich gesehen habe. Es scheint ihm offensichtlich Spaß zu bereiten.« Lujan nahm in der hinteren Ecke des Verschlags eine Bewegung wahr. »Ah!« rief er aus. »Und er hat ein deutliches Ziel, wie es scheint.«
    Auch Mara hatte bemerkt, daß einer der Sklaven wieder seine gekrümmte Haltung bei der Palisade eingenommen hatte.
    Einen Augenblick später schien es, als würde er etwas hindurchschieben. »Bei Lashimas Weisheit«, sagte sie, und ein verwundertes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Sie stehlen die Kleidungsstücke!«
    Die Galerie gewährte ihnen einen deutlichen Blick auf die Vorgänge. Der rothaarige Riese raste im Verschlag herum. Trotz seiner Größe bewegte er sich mit der Eleganz eines Sarcats, des schnellen und geräuschlosen sechsbeinigen Jägers im Grasland, und entzog sich jedem Versuch des Aufsehers, ihn zu fangen. Dann jedoch trottete er wie eine schwangere Needra-Kuh dahin. Er ließ den Aufseher dicht an sich herankommen, um plötzlich der Peitsche knapp auszuweichen und, schlurfend, rutschend und mit dem Fuß über den Boden streichend, eine gehörige Menge Staub aufzuwirbeln. Oder er krachte in diejenigen Kameraden, die bereits Hosen und Hemden erhalten hatten. Die plötzlich so unbeweglichen Männer fielen zu Boden und rollten hin und her, und, verdeckt vom Staub und dem Durcheinander der Bewegungen, verschwanden die Kleidungsstücke auf merkwürdigste Weise. Einige wurden zusammengerafft und anderen Sklaven weitergereicht; gelegentlich machte sich ein Hemd wie von selbst los und landete auf dem Boden, wo es von einem anderen Mann aufgenommen wurde. Auf diese Weise gelangte die Kleidung schließlich zu dem Mann an der Palisade. Im geeigneten Augenblick stopfte er den Stoff durch eine Lücke und nahm dafür von der anderen Seite herübergeschobene Muschelmarken entgegen, die im Kaiserreich als Münzen dienten. Der Midkemier wischte sie an seiner haarigen Brust ab, steckte sie in den Mund und schluckte sie hinunter.
    »Es müssen Bettlerjungen auf der anderen Seite sein.« Lujan schüttelte den Kopf. »Oder vielleicht das Kind irgendeines Flußschiffers. Aber es ist mir ein Rätsel, wie ein Sklave auf den Gedanken kommen kann, daß er eine Verwendung für Geldmünzen haben könnte.«
    »Sie zeigen jedenfalls großen Einfallsreichtum … und großen Mut«, bemerkte Mara, und Lujan sah sie scharf an. Es machte den Truppenführer stutzig, daß sie diese ehrbaren Charaktereigenschaften fälschlicherweise Männern zugeschrieben hatte, denen nach den starren Regeln der Gesellschaft des Kaiserreiches ein noch geringerer Rang zustand als dem niedersten, schäbigsten Bettler in der Gosse. Die Verzweiflung hatte Mara gelehrt, die Traditionen ihres Volkes manchmal geschickt umzudeuten, mit den erstaunlichsten Folgen. Auch Lujan war nur aufgrund einer solch ungewöhnlichen Beugung der Traditionen in ihren Dienst geraten, und trotzdem konnte er nicht erkennen, was sie in den barbarischen Sklaven sah. In dem Versuch, ihre Faszination zu verstehen, wandte er sich dem immer noch andauernden Konflikt dort unten wieder zu.
    Der Aufseher hatte inzwischen Verstärkung herbeigerufen. Mehrere muskulöse Wachen mit gebogenen Haken aus gehärtetem Needra-Fell in den Fäusten rannten jetzt in den Verschlag und auf den unbeugsamen Rothaarigen zu; jene Sklaven, die sie aufzuhalten versuchten, wurden mit Ellenbogen beiseite gestoßen oder bekamen kräftige Tritte von scharfkantigen Sandalen. Einer der Barbaren ging zu Boden, das Schienbein blutig gestoßen. Bei diesem Anblick machten die anderen den Soldaten schnell Platz, und auch der rothaarige Anführer wurde langsamer. Er wollte sich lieber in die Enge treiben lassen, als ernsthafte Verletzungen durch grobschlächtige Soldaten zu riskieren. Die Krieger hielten ihn mit den Haken fest und zogen ihn vor den rotgesichtigen und staubbedeckten Makler, dessen Gewand jetzt dringend einer Reinigung bedurfte. Sie stießen ihren gewaltigen Gefangenen auf die Knie und drückten

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