Der Sodomit
beim Aderlass das Blut in die Schüssel. Sehr viel in recht kurzer Zeit.
Zu viel. Wurde das Blut in den Organen in derselben Geschwindigkeit verbraucht, bedeutete es eine immense Anstrengung für das Herz, es ständig neu zu bilden.
Da lag der Hase im Pfeffer. Schon sein Vater zweifelte an dieser Theorie. Woher nahm der Körper die Substanz für die Unmengen an neu zu produzierendem Blut?
Mihály schnitt vorsichtig entlang der Adern des Unterarmes durch die Haut. Die schlauchähnlichen Gefäße waren leer. Von dick zu dünn. Von oben nach unten. Und dann? Weg? Versickerte das Blut im Gewebe der Leber? Der Niere? In den Fingerspitzen und Fußzehen?
Er strich über den Hals, dessen Strangulationsmal sich tief in die Kehle eingegraben hatte. Wirkte das Leben in einem Menschen, schlug hier der Puls. Auch an den Hand- und den Fußgelenken.
Pumpte das Herz mit all seiner Kraft das Blut von sich weg, nur, damit es verloren ging?
Sein Magen rebellierte, obwohl das Minzöl die empfindliche Haut unter seiner Nase verbrannte. Seine Augen begannen zu tränen und die Tote löste sich in Nebel auf.
Verdammt! Er brauchte eine frische Leiche.
Und er brauchte einen anständigen und klugen Gehilfen, der sie ihm beschaffte. Am besten ohne Zunge, damit er ihn nicht verriet.
„Herr Szábo?“ Silas drückte sich mit dem Rücken an die Wand, neben der ein Gang aus dem Kellergewölbe ans Donauufer führte.
„Mir ist hundeelend. Wenn ich mich übergebe, muss ich es dann wegwischen?“
„Worauf du dich verlassen kannst und mein Erbrochenes kannst du gerne ebenfalls wegräumen.“ Der Geselle des Apothekers war verschwiegen, aber gierig. Pro Leiche ließ er sich zehn Heller zahlen. Für soviel Silbermünzen hätte er in Buda der teuersten Dirne seine Aufwartung machen dürfen.
Der Bengel war bildhübsch. Leider wusste er es auch und Mihály musste sich Tag für Tag zusammenreißen, um ihm nicht aus Versehen einen begehrlichen Blick zuzuwerfen.
Seine Neigung ging nur ihn etwas an und sollte er entdeckt werden, war es aus.
Sollte jemand hinter seine Leichenschnippeleien kommen, war es auch aus.
Sollte dem König klar werden, dass sein Leibarzt der Sohn eines zum Tode verurteilten und längst verbrannten Ketzers war, war es ohnehin aus. Außer der Woiwode hatte Matthias Corvinus davon überzeugt, dass es keinen besseren Wundarzt als Mihály gab. Nicht weit von ihm hockte Vlad im Salomonturm der Festung und war seit drei Jahren Matthias’ Gefangener.
Zugegeben, dort war er sicher vor seinen Verfolgern. Dennoch hatte er sich die Hilfe des Königs vermutlich anders vorgestellt.
Der Ausgang der Flucht vor Radus Truppen war in vielerlei Hinsicht anders als vorgesehen verlaufen.
Mihály wischte sich die Erinnerung an Dávids weiche Lippen aus dem Kopf. Aus dem Herz bekam er sie nicht raus. Das hatte er längst aufgegeben.
Silas ging ein paar Schritte weiter Richtung Ausgang und frischer Luft. Was stellte er sich an? War ihm der Gestank beim Abschneiden nicht aufgefallen?
Allerdings war Mihály selbst dankbar für den Luftzug. Dass der Keller des ihm zugewiesenen Hauses einen Gang nach draußen besaß, der kurz vorm Donauufer endete, gehörte zu den wenigen glücklichen Zufällen in seinem Leben.
Die leeren Weinfässer und das Gerümpel hatte er fortgeräumt.
Nun beherbergte das Gewölbe alles, was er für seine Forschung benötigte. Tisch, Stuhl, sorgfältig zugeschnittenes Papier, Federn und Tintenfass, eine Pritsche, zwei Truhen, in denen neben den Büchern seines Vaters auch ein zweites Operationsbesteck auf seinen Einsatz wartete, Planen zum Abdecken und einen reichlichen Vorrat an Fackeln und Kerzen.
Der perfekte Ort, um seine Forschungen am menschlichen Körper voranzutreiben. Aus Gründen der Sicherheit lehnte ein Ruderboot an der Wand. Direkt hinter dem Ausgang. Eine Flucht über die Donau ging leicht, schnell und vor allem unauffällig vonstatten.
Ohnehin war das Uferstück an dieser Stelle schwer einzusehen. Es versteckte sich unter einer mit Büschen bewachsenen Felsnase, und wer sich seitlich nähern wollte, musste einige Schritte durchs Wasser waten, weshalb die Dorfleute die Straße vorzogen, die sich oberhalb der Donau zur Siedlung und weiter den Hügelkamm hinauf zur Festung schlängelte.
„Herr Szábo“, jammerte Silas. „Beeile dich. Es wird Tag und ich muss zu meinem Meister.“
„Gleich.“
Verdammt noch mal. Was tat er sich an? Diese Leiche verriet ihm nichts, was er nicht längst wusste. Ein
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