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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Er war in Gedanken bei seiner Schwester Gunwa und bei all den anderen Menschen, die sie zurückgelassen hatten, als sie ausgezogen waren, den Dieb des Lichtsteins und Mörder Elwahs zu jagen. Fünfunddreißig Mal hatte er seitdem die Sonne aufgehen sehen, doch in der Welt außerhalb von Uos Mund war ein halbes Jahr vergangen. Der Winter hatte das Land fest im Griff, der Winter und Slahan, die Gefallene Göttin. »Ich glaube, die Pferde können weiter«, sagte er knapp.
    »Dann lasst uns eilen. Noch vor Anbruch der Nacht können wir dort sein«, meinte Eri und sprang in den Sattel. Dann gab er seinem Tier die Fersen und jagte davon. Sie folgten ihm, und Awin trieb seinen Braunen zur Eile. Das Tier hatte ihm gute Dienste geleistet. Von Uos Mund bis zum Rotsee hatten sie laufen müssen, ein gefährlicher Weg. Eigentlich hätten sie diesen Marsch kaum überleben dürfen, denn der Glutrücken kannte keinen Winter - doch Slahan war fort, und es schien, als habe der kalte Nordwind die Gelegenheit genutzt und die verlassene Wüste erobert. Das hatte ihnen letztlich das Leben gerettet. Die Pferde waren ihnen dann am Rotwasser zugelaufen,
das heißt, eigentlich war es Merege gewesen, die abends hinter den Felsen verschwunden und am Morgen mit dem Braunen und drei weiteren Pferden wiedergekehrt war. Curru war deswegen immer noch beleidigt. Er war ein Hakul, im Sattel geboren, wie er zu sagen pflegte - und da kam diese Kariwa vom Rand der Welt und verstand sich besser auf Pferde als sie alle zusammen. Natürlich beschuldigte er sie wieder der Hexerei, aber seine Abneigung gegen Merege war doch nicht groß genug, um das mitgebrachte Tier, einen stark gebauten Schimmel, abzulehnen.
    Das Land wurde schon hügeliger, und in nicht allzu großer Ferne ragten die Schwarzen Berge aus der Ebene auf. Awin sah Curru die wachsende Unruhe an. Sie würden bald das Lager erreichen. Egwa war dort, Currus Frau und Awins Ziehmutter. Und Gunwa würde vermutlich bei ihr sein. Sie würde am Feuer sitzen und sehr staunen, denn sie musste glauben, dass ihr Bruder tot war wie all die anderen aus Aryaks Sger, die in der Schlacht am Glutrücken gefallen waren.
     
    Die Dämmerung tauchte die weiße Ebene bereits in ungewisses Zwielicht, als Eri, der ihnen stets ein gutes Stück vorausritt, sein Pferd mit einem scharfen Reißen am Zügel anhielt. Das Wintertal, so nannten sie jene Senke zwischen sanften Hängen, in der sie seit Menschengedenken ihr Lager in den kalten Monden aufzuschlagen pflegten. Es war nur ein Tal unter vielen hier, unweit der Schwarzen Berge, und nicht leicht zu finden. Ein Fremder würde auf das Lager nur stoßen, wenn er den Rauch der Feuer sah. Und in gefährlichen Zeiten konnten die Hakul selbst im Winter auf Feuer verzichten. Genau deswegen hielt Awin schon die ganze Zeit Ausschau nach den schlanken Rauchfahnen, die über dem Lager stehen mussten. Es wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass das Lager sich in
Sicherheit wiegte. Aber die Luft war rein und klar, und nirgendwo trübte ein grauer Schleier die grausame Schönheit des Abendrots. Awin sank der Mut. Alles in der Haltung des jungen Kriegers oben auf dem Kamm sagte ihm, dass ihre Befürchtungen wahr geworden waren. Es war, als sei Eri im Sattel förmlich erstarrt. Curru stieß einen heiseren Ruf aus und trieb sein Pferd zur Eile. Awin folgte ihm und verlangte einen letzten Galopp von seinem Braunen. Noch vor der Kuppe zügelte er das Tier. Immer langsamer näherte er sich dem Unausweichlichen. Schließlich hielt er neben den anderen und blickte hinab. Es war das Lager des Klans, auch wenn er sich wünschte, dass es nicht so wäre. Slahan war hier gewesen, und sie hatte nicht viel übrig gelassen. Dort lag ein eingestürztes Zelt, daneben tote Ziegen. Raureif bedeckte die verbogenen Zeltstangen und die zerrissenen Lederbahnen, die träge im Wind flatterten. Awin entdeckte drei menschliche Körper, die dicht beieinander auf der weißen Erde lagen. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Neben ihm stöhnte Curru auf.
    »Es gibt ein Grab«, sagte Merege und deutete auf einen flachen Hügel. Aus irgendeinem Grund schien sie das wichtig zu finden. Awin blickte sie verständnislos an, und sie erklärte es ihm: »Jemand muss diese Gräber ausgehoben haben.«
    »Überlebende!«, rief Awin.
    Sie trieben die Pferde eilig den Hügel hinunter. Curru stieg ab und sah sich die drei Leichen an. »Es sind keine unserer Männer, jedoch Hakul«, sagte er nachdenklich.
    »Sie wurden nicht begraben«,

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