Mein wildes rotes Herz
Prolog
»Du hast nach mir geschickt.«
Der Mann, der zusammengesunken am Kamin saß, richtete sich auf, und sein Kopf fuhr herum. Während die hellgrünen Augen den Raum durchforschten, glomm Furcht in ihnen auf. Als sein Blick auf die große Gestalt fiel, die den Türrahmen verdunkelte, runzelte er die Stirn. Dann begann er zu sprechen, und in seiner verschlafenen Stimme schwang unüberhörbar ein Vorwurf mit. »Vor fast vierzehn Tagen, ja. Wo zum Teufel bist du so lange gewesen?«
Wolf trat in den dürftigen Schein der einzelnen Kerze, die ihr Wachs auf den Kupferleuchter tropfte. Er hob sein Gewehr in die Armbeuge und betrachtete den alten Mann aus schmalen schwarzen Augen. »Ich war auf der Sommerjagd ... mit meinem Stamm.«
Robert MacQuaids Finger gruben sich in den karierten Stoff seines Armstuhls, aber sein Versuch, sich zu erheben, wurde durch sein verletztes Bein vereitelt, das geschient und verbunden auf dem Schemel vor ihm ruhte. »Hölle und Teufel!«, fluchte er, ballte die Faust und ließ sie auf seinen Oberschenkel sausen, ehe er mit rotem Gesicht in die Kissen zurücksank.
Der kleine Vorfall hätte Wa'ya mitleidig berührt, wenn es jemand anderen betroffen hätte. Doch so blieb Wolfs Miene ausdruckslos, seine attraktiven, wie gemeißelt wirkenden Züge verrieten nichts. Er wusste um das Bein seines Vaters. Die Verletzung war der einzige Grund, warum er gekommen war - das, und die nagende Sorge, dass Mary ihn brauchen könnte. »Du solltest vorsichtiger sein«, sagte er nur.
»Als wenn dich das einen Deut kümmern würde! Wie du hier auftauchst, gekleidet wie ein Wilder!«
»Meine Kleidung dient meinen Zwecken.« Wa'ya sah, wie Roberts Blick verächtlich über die langen schwarzen Haare und weiter nach unten glitt. Das umgürtete Jagdhemd war handgewebt, die Beinkleider aus Rehleder. »Außerdem«, fuhr Wolf fort, ehe sein Vater seiner Missbilligung weiter Ausdruck verleihen konnte, »habe ich nie vorgegeben, dass es mich kümmern würde.«
»Undankbarer Wicht! Ich hätte nie-« Roberts Gesicht lief vor Wut rot an, als Wolf ihm seine große Hand auf die Schulter legte und ihn damit wirkungsvoller am Aufstehen hinderte, als es das gebrochene Bein vermocht hätte.
»Ich bin nicht gekommen, um alte Streitigkeiten wieder aufleben zu lassen.« Wolfs Mokassins machten kein Geräusch, als er über den Steinboden zur Tür und dem dahinter liegenden Wald ging.
»Warte, Raff. Es gibt da etwas, das du für mich tun musst.«
Als Wolf seinen englischen Namen hörte, warf er einen Blick über die Schulter zurück. Er hob eine schwarze Braue und wartete, verärgert darüber, dass er innegehalten hatte ... noch mehr als darüber, dass er überhaupt hergekommen war.
»Du musst für mich nach Charles Town gehen.«
Kaum waren die Worte gesagt, hob Wolf den Riegel der Tür.
»Hölle und Verdammnis, Raff.« Robert stemmte sich in seinem Stuhl hoch und griff nach der roh gezimmerten
Krücke, die einer der Diener für ihn gefertigt hatte. »Das bist du mir schuldig. Bei Gott, du bist mein Sohn.«
»Dein Bastard«, gab Wolf zurück, als die Tür aufschwang. Aber Robert beachtete Wolfs Einwand so wenig, wie er Alkini, Wolfs Mutter, beachtet hatte.
»Ich kann nicht selber gehen, sonst würde ich nicht darum bitten.«
Wolf schnaubte verächtlich. »Daran habe ich keinen Zweifel.« Keiner konnte Robert MacQuaid vorwerfen, dass er nicht selber tat, was getan werden musste, ob es die Arbeit auf seiner Plantage, den Betrug an den Cherokesen oder die Verführung unschuldiger Frauen betraf. Beim Gedanken an seine Mutter tat Wolf einen tiefen Atemzug. Er wandte nicht den Kopf, als er das Geräusch der Krücke hinter sich hörte. »Such dir jemand anderen, der deine Vorräte abholt.«
»Das würde ich ja, aber es gibt niemanden.«
Auch das glaubte Wolf ihm. Seit Wolf dieses Haus verlassen hatte, hatte Robert die Anwesenheit seines Sohnes in den Lagern der Cherokesen ignoriert. Wenn es jemand anderen gegeben hätte, an den sich Robert hätte wenden können, hätte Wolf nie die Nachricht bekommen, dass sein Vater ihn sehen wollte.
»Logan kämpft im Norden gegen die verdammten Heiden, und ich kann niemandem sonst trauen, dass er sie herbringt.«
»Mein Bruder sollte sich lieber um die Sicherheit seiner Frau kümmern, statt sich in einen Krieg zu stürzen.«
»Mary geht es gut. Und wovon, zum Teufel, sprichst du überhaupt - ihre Sicherheit? Das Mädchen, ach zum Teufel, wir alle sind hier so sicher, wie wir es in
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