Der Sommer deines Todes
wichtiger, Mr. MacLeary. Seit 2008 , als viele Banken in Schieflage gerieten, bearbeiten wir zunehmend mehr Fälle in diesem Bereich.»
Mac dreht sich um, steckt die Hände in die Hosentaschen und mustert sie. «Ja, ich habe darüber gelesen. Es gibt mehr und mehr Menschen, die ihr Geld verstecken – vor allem jetzt.»
«Vor allem jetzt», betont sie. «Dann können Sie wohl auch nachvollziehen, dass wir Unterstützung brauchen, um alle Geldwäscheermittlungen entsprechend unseren sehr hohen Standards durchzuführen.»
«Dreißigtausend … Wofür genau?»
«Würden Sie sich bitte wieder setzen?»
«Ich kann Ihnen auch im Stehen folgen.»
«Bitte.»
Er ist sich darüber bewusst, dass er Lacie Chen in die Hände spielt, falls er sich setzt. Von nun an wird sich alles ums Honorar drehen, und die Aussicht, einen Teil seiner Schulden begleichen zu können, wird Macs Entscheidung beeinflussen. Er kann die Frau nicht leiden und traut ihr nicht über den Weg, aber Stolz und Gier sind miteinander verbündet, und er hat sich schon vor einiger Zeit eingestehen müssen, dass es ihm in dieser Beziehung an Charakterfestigkeit mangelt.
«Das ist absurd viel Geld», stellt er klar.
«So sehe ich das auch, aber für unseren Klienten ist das nicht so viel, wie man denken möchte.»
«Wer ist Ihr Klient?»
«Das kann ich Ihnen erst verraten, wenn Sie den Auftrag angenommen haben.»
«Wie gesagt, ich bin ganz Ohr.»
«Eigentlich ist das eine banale Geschichte. Ein leitender Angestellter, der mit uns bei mehreren Ermittlungen zusammengearbeitet hat, steht jetzt selbst unter Verdacht.»
«Und er weiß nichts davon.»
«Noch nicht. Allerdings befürchten wir, dass wir sofort auffliegen, wenn wir einen von unseren Leuten schicken, denn er kennt unsere Ermittler ja.»
Auffliegen.
Sie nimmt kein Blatt vor dem Mund. Das ist bei jeder Ermittlung der Knackpunkt: Wenn man auffliegt, ist das Spiel aus, manchmal, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.
«Was genau muss ich tun?»
«Das erklärt man Ihnen in aller Ausführlichkeit, wenn Sie den Klienten treffen.»
«Dann werde ich jetzt nicht erfahren, worum es bei dem Job geht und wer der Auftraggeber ist.»
Chen zuckt mit den Achseln. «Tut mir leid. So will es der Kunde.»
Frustriert stößt Mac einen Seufzer aus. «Das gefällt mir nicht.»
«Aber Sie werden den Auftrag übernehmen?»
«Bis wann muss er erledigt sein?»
«Gestern wäre prima.»
«Hören Sie, ähm … ich muss erst noch einen anderen Fall abschließen.» Doch ihn quält die Vorstellung, noch weitere Tage, vielleicht sogar Wochen auf der Madison Avenue herumstehen zu müssen, wenn es zunehmend schwüler und heißer wird, und dazu verdammt zu sein, auf etwas zu warten, was vielleicht gar nicht passieren wird.
«Nun, wenn der andere Job so wichtig ist … Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen.»
Damit hat sie seinen Bluff entlarvt, und ihm schießt unwillkürlich ein Gedanke durch den Kopf: Noch ein Kapitel und dann bin ich mit
Bleak House
durch. Die Gedanke, das Buch zu beenden, das ihn die letzte Woche davor bewahrt hat, den Verstand zu verlieren, das es ihm erlaubt hat, in die kühlen grünen Hügel Englands zu entfliehen, lässt ihn verzweifeln. Er könnte mit Karin
auf Spesen
nach London reisen. Für einen Tag Arbeit. Und eine absurde Menge Geld einstreichen. Eventuell sogar in Großbritannien einen kleinen Abstecher aufs Land machen und durch diesen kalten Nebel marschieren, den Dickens so eindringlich beschrieben hat, während Mac im hochsommerlichen New York die schweißtreibenden Hundstage durchstehen müsste. Sich dieses Angebot durch die Lappen gehen zu lassen, wäre ein Riesenfehler.
«Um ehrlich zu sein, sind wir mit dem Fall mehr oder minder fertig. Ich werde mich mit meinem Auftraggeber besprechen und prüfen, ob wir die Sache schnell zu Ende bringen können, und melde mich dann bei Ihnen.»
Ihr und sein Grinsen signalisieren, dass sich das Blatt gewendet hat. Auf einmal sind sie Partner auf einer nicht näher spezifizierten Mission, und Mac ist schlichtweg zu müde, zu neugierig und zu pleite, um sich weiterhin dagegen zu sträuben. Er schüttelt ihre Hand und fragt: «Wann ist es denn so weit?»
«Neunundzwanzigster August. Hoffentlich hält sie es da drinnen so lange aus, denn ich habe noch viel zu tun.»
«Tut mir leid, Ihnen den Zahn ziehen zu müssen, aber daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.»
Ihr unbeschwertes Lachen beendet den geschäftlichen Teil
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