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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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selbstgemachtem Popcorn, in die alle unbekümmert hineingreifen. Ihr zufriedenes Schmatzen übertönt die Hintergrundgeräusche des Films und die Synchronstimmen der unbekannten Schauspieler.
    Ich stehe in der Küchentür und mustere Bens verbrannten Nacken. Wie ich vergessen konnte, ihn heute mit Sonnencreme einzureiben, ist mir wirklich schleierhaft.
    «Mehr!», ruft er plötzlich.
    Fremont hebt die leere Schüssel hoch.
    Dathi springt auf und sagt: «Ich mache neues Popcorn, aber ihr müsst den Film anhalten.»
    «Lass mich das machen.» Ich hole die Schüssel, gehe in die Küche, gebe Pflanzenöl und Biomaiskörner in eine alte, gläserne Auflaufform und stelle sie mitsamt Deckel in die Mikrowelle. Ich knalle das Türchen laut zu, was mir absurderweise große Genugtuung bereitet. Während ich beobachte, wie sich der Teller dreht und der Mais aufplatzt, gewinnt mein Frust schon wieder die Oberhand.
    Wieso muss ich mich rund um die Uhr um die Kinder kümmern? Wieso fühle ich mich, wenn sie nicht gerade fernsehen, spielen oder am Computer sitzen, sofort überfordert? Und warum fürchte ich, dass sie verblöden, sobald sie sich selbst beschäftigen und keinen Mucks von sich geben?
    Wieso kann ich nicht einfach locker sein und die kleinen Freuden des Alltags genießen?
    Wie kann es sein, dass ich zu Hause festsitze? Wieso beschatten Mac und ich nicht abwechselnd Millerhausen? Einer von uns tagsüber, der andere nachts? Geteiltes Leid ist doch halbes Leid, oder? Ich brauche diesen Stress, diese innere Unruhe, um mich lebendig zu fühlen.
    Übellaunig stecke ich die Hände in die Hosentaschen, warte und beobachte, wie der anschwellende Berg Popcorn langsam den Deckel hochhebt, während der Timer tickt.
    Mac beklagt sich zu Recht darüber, wie öde der Millerhausen-Fall ist. Ich hingegen bereue inzwischen, dass ich mich mit Godfrey in der Bar unterhalten habe und er mich nun kennt. Wie konnte ich nur auf die unsinnige Idee verfallen, diesen Typen anzuquatschen? Habe ich allen Ernstes geglaubt, ich könnte irgendetwas Wichtiges in Erfahrung bringen? Herausfinden, ob er die Sorte Mann ist, die auch ihre zweite Frau betrügt? Habe ich erwartet, dass er mir alles beichtet? Mich anbaggert? Seine Hand unter meinen Rock schiebt oder seine Zunge in mein Ohr? Dass er sich als superschmieriger Typ zu erkennen gibt, sodass wir seiner argwöhnischen Frau handfeste Beweise liefern können?
    Aufgrund meiner Dummheit wechseln sich nun Mary und Mac bei der Observierung ab. Mein Göttergatte ist meistens draußen auf der Straße, während Mary eher im Hintergrund agiert, denn sie ist und bleibt eine wahre Recherchekönigin.
    Noch zwei ganze Monate, ehe die Schule wieder beginnt. Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, diese öde Zeit Ferien zu nennen? Ferien für wen? Selbst den Kindern ist sterbenslangweilig.
    Die Mikrowelle schaltet sich aus, bevor das Popcorn ganz fertig ist. Ich warte eine halbe Minute, ehe ich die heiße Form mit Topfhandschuhen heraushole. Als ich den Deckel abnehme, steigt mir der Dampf ins Gesicht, und ein brennend heißes Korn fliegt in mein rechtes Auge. Ich stoße einen Schrei aus, lasse die Auflaufform fallen und lege schützend die Hände aufs Gesicht. Die Form knallt auf den Boden und zerspringt. Überall liegen Glasscherben und öliges Popcorn. Als sich das Klingeln in meinen Ohren legt, hebe ich ernüchtert den Kopf. Im Wohnzimmer spulen die Schauspieler einen uninteressanten Dialog ab.
    Ben kommt angerannt und fragt: «Mami! Ist das Popcorn fertig?»
    Erst in dem Moment merke ich, dass ich weine. Ich nehme Ben auf den Arm, damit er mit seinen nackten Füßen nicht in die Scherben tritt, und ringe mir ein Lächeln ab, das wahrscheinlich eher makaber als beruhigend wirkt.
    «Was ist denn los, Mami?»
    «Mir ist die Auflaufform runtergefallen.»
    «Wir reparieren sie wieder. Sei nicht traurig.»
    «Ich bin nicht traurig, Schätzchen. Ich hatte nur kurz Angst.»
    Er küsst und drückt mich – so wie ich das immer mache, wenn es ihm nicht gutgeht. Ich trage ihn zur Küchentürschwelle hinüber und setzte ihn hinter dem Scherbenfeld ab. «Warte hier.» Ich sammele so gut es geht das Popcorn ein und reiche ihm die Schale. «Pass auf, dass dir nichts runterfällt, und falls doch …»
    «Hebe ich es sofort auf.»
    Wir beide müssen grinsen, und dann kehrt er ins Wohnzimmer zurück. Voller Stolz schaue ich meinem kleinen Sohn hinterher, der die große Schüssel trägt und aufpasst, dass nichts herausfällt,

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