Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Universum. Und
sogar noch in der gleichen Zeit.“
    Rolo
schluckte. „Ja, das ist wirklich erfreulich. Aber wer stellt solche Fallen?“
Ihm entging nicht, dass die Alben verstohlene Blicke austauschten.
    „Wer?“,
hakte er nach.
    „Nun ja“,
druckste Driftwood. „Wir diskutierten das schon. Das ist schon echt
fortgeschrittene, miese Magusch.“
    „Und?“
    „Es wäre
möglich, dass ich das war. Was mir natürlich sehr leidtäte. Allerdings glaubt
Socke, der kleine Nörgler, dass ich das nicht könnte. Er meint …“
    Socke fiel
ihm ins Wort. „Ich befürchte, so etwas kann nur ein großer und sehr mächtiger
Zauberer. Und ein verdammt skrupelloser dazu.“ Er blickte sich unruhig um.
    „Ich halte
das ja für völlig übertrieben“, ereiferte sich Driftwood. „Zugegeben, nicht
jeder Trottel hätte den Zauber hinbekommen. Aber jetzt hier direkt vom
Schlimmsten auszugehen! Nur weil hier ein kleines Feuer brennt, muss ja auch
nicht direkt ein Drache anwesend sein. Oder?“ In Erwartung einer Erwiderung
blickte er zu Socke.
    Doch Socke
starrte auf die Felswände, die ihr Lager umgaben. Das kleine Feuer erzeugte
tanzende Schatten.
    „Socke?“
Rolo blickte sich um. „Was ist?“
    Socke stand
auf. Sein Mund bewegte sich, aber kein Laut kam über seine Lippen.
    „Was?“,
wollte Driftwood wissen.
    „Lauft!“,
schrie Socke.
    Und da sah
Rolo sie. Gestalten entstiegen den Schatten. Ihre dunklen Kutten verschmolzen
mit der Finsternis zu einer formlosen Masse. Kotze begann zu leuchten und
knurrte.
    „Weg hier!“
Driftwood sprang auf und rannte in die Dunkelheit.
    Doch Socke
war starr vor Angst. Er zitterte am ganzen Leib. Rolo griff seine Pfote und zog
ihn mit sich, hinter Driftwood her. Nach ein paar stolpernden Schritten fand
Socke wieder zu sich. Flucht! Kotze stand mit gefletschten Zähnen inmitten der
Irrlichter. Sie kauerten, zum Sprung bereit, wie riesige Insekten. Es waren
sechs. Aus der Dunkelheit des Tunnels erklang ein Ruf.
    „Kadusch!“
    Der Zauber
flog so dich an Rolo vorbei, dass er sein Haar verwirbelte. Zwei der Finsteren
warf es in den Staub. Die Übrigen hoben die Köpfe. Wie Schlangen wanden sie
ihre Körper und glitten den Gang entlang. Schnell kamen sie näher. Rolo und
Socke schrien. Aus der anderen Richtung näherte sich ein Licht. Es war
Driftwood. Brüllend stürmte er zwischen seinen Gefährten hindurch, einen
brennenden Holzbalken über dem Kopf schwingend. Aus vollem Lauf schlug er das
erste Irrlicht von den Beinen, wirbelte um die eigene Achse und stieß den
Balken in die Kapuze des nächsten. Noch während das Irrlicht getroffen hinten
überkippte, sprang Driftwood mit einem wilden Kriegsgeheul auf den wankenden
Körper, und mit den Füßen voran fällte er den dritten Angreifer wie einen
morschen Baum. Das letzte Irrlicht hielt inne. Es breitete beschwörend die Arme
aus. Wie im Wind wehte sein Gewand.
    „Nachtalb“,
zischte es.
    Der Klang
der Worte, so heiser, so verloren, ließ Rolo erschauern. Driftwood nicht. Er hob
drohend das Feuer. „Verpiss dich!“
    „Der Mensch.
Wir wollen den Menschen.“
    „Nein.“
Driftwood schüttelte den Kopf und spuckte in den Sand. „Der gehört mir. Such
dir selbst einen.“
    Rolo war
starr vor Schreck. „Sie wollen mich? Wieso mich?“ Kotze schnüffelte neugierig
an den reglosen Irrlichtern. Plötzlich versanken sie im Boden.
    „Oh nein“,
hauchte Socke.
    Auch
Driftwood bemerkte das. „Weißt du, was echt die Pest an euch ist? Ihr steht
einfach immer wieder auf.“ Mit diesen Worten schleuderte er das brennende
Brett. Das Irrlicht ging hell in Flammen auf.
    „Kotze!“
    Der magusche
Hund folgte dem Ruf seines Herrchens auf der Stelle. Sie flohen in die
Dunkelheit. Rolo entfachte das Licht des Eies. Bei der ersten Abbiegung schaute
er zurück. Der Tunnel lag dunkel. Kein Feuer war zu sehen.
    „So ein
kleines Feuer beschäftigt die nicht lange. Weiter“, mahnte Driftwood.
    „Wer sind
denn die ?“, keuchte Rolo.
    „Irrlichter!“,
rief Driftwood, der schon um die Ecke verschwunden war.
    Im Dauerlauf
legten sie ein gutes Stück Strecke zurück. Die Angst, dass jedem düsteren Fleck
ein Irrlicht entsteigen konnte, hielt sie auf Trab. So entging es ihnen
beinahe, dass der Tunnel sich veränderte. Die Wände waren nicht mehr mit
schäbigen Brettern gestützt. Stattdessen gab es Pfeiler, die aus dem Gestein
heraus gearbeitet waren. Die Decke war höher, und ihre halbrunde Wölbung wich
einem geraden Strich. Sogar die Luft war jetzt