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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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dicht schob Driftwood
ihn ran. Socke schaute etwas gequält drein, bevor er sprach: „Hier ist Socke,
der Nachtalb. Ist da wer?“
    Die Symbole
brachen zusammen wie kalte Asche. Das Licht erlosch. Nichts rührte sich mehr.
    „Na toll. Du
hast es kaputtgemacht“, maulte Driftwood. „Warte doch!“, flüsterte Socke.
    Und er hatte
recht. Das Licht kehrte zurück. Aber hundertfach stärker und greller als die
Sonne. Erschrocken zog Rolo die Hand weg und wandte sich ab. Doch das Ei fiel
nicht. Es schwebte. Die Alben traf der Lichtschwall wie ein Keulenschlag.
Driftwood schleuderte es über das Pult. Socke fiel um wie ein Besenstiel. Das
Licht erlosch, und das Ei schaukelte sachte in der Luft.
    Driftwood
tauchte wieder auf. „Das wird eine Beule“. Er rieb sich den Hinterkopf.
    „Ich glaube,
mit uns sprechen will es nicht. Wo kommen denn die tanzenden Lichter her?“
    Rolo sah
nichts dergleichen. „Ich glaube, du bist geblendet. Wird schon wieder. Socke,
alles klar?“
    „Mir geht’s
gut.“ Socke stand auf und lief schnurstracks gegen einen Pfeiler.
    Rolo fasste
ihn bei den Schultern und führte ihn zurück. „Vielleicht ist sprechen nicht so
verkehrt. Immerhin hatten wir eine Reaktion“, überlegte er.
    Driftwood wischte
sich den Dreck vom Pelz. „Und was für eine. Man könnte meinen, das Ei hätte es
auf uns abgesehen. Mistvieh!“
    „Wie meinst
du das?“, fragte Rolo.
    „Ich meine,
wen trifft so ein helles Licht mehr als uns Nachtalben?“
    „Auch andere
magusche Wesen haben sehr lichtempfindliche Augen“, erinnerte Socke. Er blickte
starr ins Leere. „Das ist der Preis für das Sehen im Dunkeln.“
    „Wer kann
das denn noch?“, wollte Rolo wissen.
    „Außer den
Menschen eigentlich alle. Auf jeden Fall das Nachtvolk. Die Elben und die
Zwerge auch. Bei den Halblingen weiß ich es nicht so genau.“
    „Außer den
Menschen eigentlich alle“, grübelte Rolo. Ihm kam etwas in den Sinn. „Vielleicht
sucht das Ei nur den richtigen Gesprächspartner.“
    „Was?“,
empörte sich Driftwood. „Wer soll das sein, wenn nicht Socke? Arrogantes Ei!“
    „Warte! Vielleicht
hat Rolo recht. Er soll es probieren.“ Socke ertastete seine Tasche und zog die
Sonnenbrille auf. „Kann losgehen.“
    Driftwood
ging hinter dem Pult in Deckung.
    Rolo
betrachtete das schwebende Ei. Abgesehen davon, dass Eier normalerweise nicht
schwebten, sah es ganz harmlos aus. Doch wenn er eines gelernt hatte in den
letzten Tagen, dann, dass man sich auf solch trügerische Annahmen nicht
verlassen sollte. Trotz seines Unbehagens brachte er sein Gesicht ganz nah
heran. Und aus einem unerklärlichen inneren Impuls heraus flüsterte er Worte,
die ihm so fremd erschienen, als wären es nicht die seinen. Vielleicht war Rolo
nur der Überbringer von Gedanken, die ein anderer gedacht hatte. Seine Stimme
nur der Bote einer Nachricht, die von irgendwo her kam. Vielleicht aber kam sie
auch tief aus ihm selbst, aus Regionen, die sich seiner Kontrolle entzogen.
    „Ich bin Rolo
Blutgut. Albenfreund und Mensch. Ich kämpfe an der Seite des Nachtvolks, um
altes Unrecht zu vergelten. Ich stehe an der Seite des Nachtvolkes, um es zu
stützen. Ich schreite an der Seite des Nachtvolkes, damit es nicht irrt. Und
ich falle Seite an Seite mit ihm, um seinen Fall zu bremsen.“
    Das Ei
erwachte wieder. Es begann zu rotieren. Das Licht, das von ihm ausging, formte
eine goldfarbene Kugel. Sie wuchs wie eine Seifenblase. Rolo spürte, wie sie
ihn erfasste. Socke, immer noch mit Blindheit geschlagen, rief nach ihm. Rolo hörte
den Ruf, aber er klang fern und dumpf, wie unter Wasser. Driftwood schielte
über den Rand des Pultes. Er sah, dass das goldgelbe Licht Socke verschluckte.
Wie Mücken im Bernstein waren seine Gefährten gefangen. Das konnte Driftwood
auf keinen Fall mit ansehen. Kopfüber sprang er ins Licht. Blitze zuckten über
die Oberfläche der Kugel, und mit einem Knall war sie verschwunden. Mit ihr
Rolo und die Alben.
     
     

Kapitel 31
    Die Kugel
hatte alles mit sich genommen, was sie erfasst hatte. Rolo lag auf einem Teil
des Betonbodens. Ein Stück des großen Steuerpultes stand an seiner Seite. Kabel
baumelten heraus, und ein letzter Rest von Elektrizität entlud sich blitzend.
In jenen kurzen Augenblicken, wo sie die Dunkelheit vertrieb, entdeckte Rolo
die Alben. Sie lagen eine Armeslänge von ihm entfernt. Rolo kroch näher. Er
ertastete weichen Pelz. Welchen der Alben er schüttelte, wusste er nicht. Es
war stockfinster. Bis eine

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