Der Sommer des glücklichen Narren
flüsterte ich und schaute verstohlen um mich. Im Eifer hatte sich Rosalinds Stimme merklich gehoben.
»Du bist mein Mann, und du bleibst mein Mann, und es ist mein Recht und meine Pflicht, mich um dich zu kümmern.«
»Wir sind heute geschieden worden«, erinnerte ich sie. »Du kannst nicht zwei Männer haben.«
»Ich kann«, sagte Rosalind entschieden. »Und ob ich das kann. Das habe ich Konrad schon erklärt. Von vornherein habe ich keinen Zweifel daran gelassen, wie ich zu dir stehe. Genauso wie ich mich um Lix kümmere und für sie sorge, genauso für Dodo, habe ich ihm gesagt. Ihn völlig allein zu lassen, das wäre sein Untergang.«
Der Ober brachte die neuen Teller und servierte dann zarte Kalbssteaks mit frischem Spargel und kleinen Kartöffelchen, die wie Marzipan schmeckten. Warum bekommt man im Laden nie solche Kartoffeln?
Mein Untergang. Na, wennschon. Viel ging da nicht unter.
Ein durchschnittlicher Mann von beinahe vierzig Jahren, der es zu nichts im Leben gebracht hatte. Nicht mal eine einzige Heldentat im Krieg hatte ich zustande gebracht. Auf dem schwarzen Markt war ich ein Versager gewesen. Und jetzt erst! Ich selber fand zwar meine Bücher ganz gut, aber sie wurden nicht gekauft. Die einzige Sternstunde meines Lebens war gekommen, als ich Rosalind traf. Die größte Tat, die ich je vollbracht hatte, war es gewesen, sie zur Heirat zu bewegen. Aber das hatte sich ja nun erledigt. Was blieb also von mir übrig?
Ach nein, so unglücklich, wie ich mir jetzt einreden wollte, so unglücklich war ich gar nicht. Meist fand ich das Leben ganz schön. Wie gern lebte ich im Waldhaus, wenn auch Rosalind es primitiv nannte.
Außerdem war es gar nicht mehr so primitiv. Wir hatten jetzt eine Wasserleitung, wir hatten Elektrizität und ein richtiges WC. Und wenn ich wieder einmal eine größere Arbeit an den Rundfunk hätte verkaufen können, dann hätte ich eine Ölheizung einbauen lassen. Für Rosalind.
Jetzt nicht mehr. Ich brauche keine. Ich bin Experte im Feuermachen und habe es sehr gern, wenn die Holzscheite im Ofen knacken. Ich kann wunderbar dabei arbeiten.
Dorian würde bei mir sein, den ich liebte und der mich liebte. Manchmal kamen Rehe auf die Lichtung, und wir beobachteten sie, Dorian und ich. Er dachte nie daran, sie zu jagen oder zu verbellen. Sogar der Förster wußte das und meinte, das sei ein erstaunlicher Hund. Im Sommer sangen die Vögel schon im frühen Morgengrauen, und im Winter kamen sie ans Haus heran, und ich fütterte sie. Um das Haus war eine Wiese, und gleich um die Wiese begann der Wald. In einer Viertelstunde war ich beim Andres, meinem Bauernfreund. Wir führten ein ernsthaftes Männergespräch oder klopften mit Wastl, dem Knecht, einen Skat. Nur zehn Minuten vom Hause entfernt war ein kleiner See, mehr ein Weiher, inmitten einer anderen Lichtung im Wald, dort konnte ich im Sommer schwimmen.
Ich liebte das Haus, den Wald, die Wiesen, den Weiher, die Rehe, die Vögel, meinen Dorian und die schöne Isabel und auch den Andres mit seinem holzgeschnitzten Bauernschädel und sogar den hinterfotzigen Wastl. Es war meine Welt, in der ich gern lebte. Im Sommer und im Winter, wenn die Sonne schien, wenn es regnete, wenn es schneite. Einfach immer. Und in Zukunft würde ich dort unbehelligt leben können, wie es mir paßte, ohne ewig von meinem schlechten Gewissen geplagt zu sein, wenn ich Rosalinds unzufriedene Miene sah. Ohne geplagt zu sein von Unruhe und Eifersucht, wenn sie auf Tage oder sogar Wochen in die Stadt hinein verschwand. Ohne mir Sorgen zu machen wegen Lix, die bei Muni lebte, seit sie die höhere Schule besuchte, weil bei uns draußen der Schulweg zu weit und zu umständlich gewesen wäre. Und die Muni wahrscheinlich auf der Nase herumtanzte und trieb, was sie wollte.
Und ich konnte arbeiten, wie ich wollte. Schreiben, was mir paßte. Rosalind würde mir nicht mehr über die Schulter blicken und fragen: »Was wird denn das nun wieder? Lieber Himmel, Dodo, eine ganze Seite Naturschilderungen, wer will denn das lesen? Schreib doch mal was Flottes, Aufregendes, etwas, was die Illustrierten kaufen. Das bekommt man prima bezahlt, habe ich mir sagen lassen.«
Na schön, ich hatte es versucht. Aber ich war nicht weit damit gekommen. Das lag mir nun mal nicht. Keine Illustrierte würde kaufen, was ich schrieb, also warum die Zeit damit vergeuden.
Nein, ich war nicht unglücklich. Ich blickte sogar recht vergnügt und hoffnungsfroh in die Zukunft. Ich würde in Frieden
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