Der Sommer des glücklichen Narren
Das ist eine Einleitung
»Na ja«, sagt Florian und blickt mit dem kühlen Blick des Weltmanns in die Runde, »so was is Geschmacksache. Ihr steht eben auf so was.« Immerhin hat er sich die Haare schneiden lassen zur Feier des Tages und das neue blaue Samtjackett angezogen, das er bisher als ›zu affig‹ abgelehnt hat.
Sein Bruder Sebastian, zwei Jahre jünger, was bedeutet, daß er zwölf ist, läßt sich leichter beeindrucken. Außerdem widerspricht er seinem Bruder, wann immer es möglich ist. Darum erklärt er: »Ich find's echt Klasse. Schnieker Laden.« Soweit die Jugend. Meine Tochter Lix, weitgereist und welterfahren, Fernsehreporterin, lächelt mir zu. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, in einem Luxusrestaurant zu speisen, sie hat die Sicherheit der erfolgreichen jungen Frau von heute. Obendrein hat sie seit einiger Zeit auch einen Ehemann, Dr. phil. Richard mit Namen, von ihr Ricky genannt. Ich kann ihn ganz gut leiden, nachdem ich mich an ihn gewöhnt habe. Man muß sich ja überhaupt erst mal an die Tatsache gewöhnen, Schwiegervater zu sein. Soweit ich es beurteilen kann, kommen die zwei gut miteinander aus. So direkt erfährt man ja von jungen Leuten nicht viel. »Wie ist denn das nun so«, habe ich Lix kürzlich mal gefragt, »mit euch beiden? Seid ihr glücklich? Ist er der Richtige?«
»Gott, Paps, du stellst Fragen! Der Richtige – aus welcher Gartenlaube hast du das denn?«
Es war mir sehr peinlich. »Ich meine ja nur. Geht mich ja nichts an.«
Lix lächelte verzeihend. »Ricky ist okay«, sagte sie dann gelassen. »Man wird sehen, wie er sich so macht mit der Zeit. Sonst wird er ausgetauscht.«
Emanzipation, nicht wahr? Man weiß Bescheid, auch wenn man schon so ein alter Trottel ist wie ich. Bei mir mußte es immer Liebe sein.
Sie braucht nicht unbedingt einen Mann. Geld verdient sie selber. Abwechslung hat sie auch ohne ihn, und Männer hat es in ihrem Leben auch immer gegeben. Einzelheiten darüber weiß ich nicht. Ich werde mich hüten und allzuoft dumme Fragen stellen. Ich bin nur der Vater.
Jetzt hat sie also mal geheiratet, und Ricky ist okay. Man wird sehen, was daraus wird.
Mir gegenüber sitzt Rosalind.
Vielleicht sollte ich aber erst einmal berichten, wo wir eigentlich sitzen und wie es zu diesem Auftrieb kommt.
Wir sind beim Humplmayr.
Für den Fall, ein Mensch ist aus München, muß man nun weiter nichts erklären. Für den Fall, ein Mensch hat das Pech, nicht aus München zu sein, sei ihm mitgeteilt, daß Humplmayr eins der feinsten Restaurants von München ist. Ein Nobelrestaurant, wie man heute sagt.
Und noch dazu eins, das es schon immer gibt. Das ist das seltene daran. Denn wir haben natürlich in München eine ganze Menge guter, bester und auch teurer Lokale, gelegentlich kommt ein neues dazu, dann wieder verschwindet eins, irgendeins ist immer besonders ›in‹, da will dann unbedingt jeder dort essen, und man muß tagelang vorher einen Tisch bestellen. Manchmal ist das nur ein kurzer modischer Höhepunkt, und das Restaurant ist genauso plötzlich, wie es ›in‹ wurde, wieder ›out‹.
Humplmayr, wie gesagt, hat es immer gegeben und gibt es noch. Ich, der ich ein echter Münchner bin, was eine ziemlich seltene Spezies Mensch geworden ist, weiß, daß es den Humplmayr schon gegeben hat, als ich ein kleiner Bub war. Gegessen haben wir natürlich dort nie, wir waren einfache Bürger und kamen gar nicht auf die Idee, in ein so feines Restaurant zu gehen. Als ich erwachsen war, kam ich auch nicht auf die Idee, ganz einfach darum, weil ich das Geld dazu nicht hatte.
Wer auf solche Ideen kam, war Rosalind. Zwar ist sie auch nicht in einer Millionärsfamilie groß geworden, aber bei ihr ist das eben so. Sie war immer süchtig nach Luxus.
Als wir jung verheiratet waren, hatten wir gar kein Geld. Nachkriegszeit und so. Die Zeiten wurden besser und besser, die Zeiten wurden großartig, das Wirtschaftswunder brach über uns herein und bescherte uns ein Schlaraffenland ohnegleichen, wie es das nie zuvor in diesem Land gegeben hat und vielleicht auch nie wieder geben wird.
Bloß, ich, Depp, der ich bin, nahm am Wirtschaftswunder nicht teil. Wieso und warum, werde ich später noch erklären.
Jedesmal aber, wenn uns der Weg über den Maximiliansplatz führte, blieb Rosalind vor der vornehmen Humplmayr-Holztür stehen und seufzte sehnsüchtig: »Hierher möchte ich für mein Leben gern mal essen gehen.«
Was macht ein Mann, der eine Frau so liebt, wie ich
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