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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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unbekümmert im Dreck. Aufräumen und Putzen kosten Zeit, und die braucht sie, um ein Buch nach dem anderen zu verschlingen, um sich gewalttätigen Träumen und Visionen hinzugeben und Donat ins Bett zu bringen, wenn er mal wieder total betrunken nach Hause kommt, was eigentlich meistens der Fall ist.
    Bei Guinness, wie diese Leute saufen! Hetty hat die Grassmere-Meute für trinkfest gehalten, aber die sind Chorknaben dagegen! Nacht für Nacht betrinken sie sich in den Pubs, die ihnen als Club dienen. Auf all ihren Partys fließt Alkohol in Strömen; keine halbe Stunde lang können sie es aushalten, ohne sich hechelnd ein Glas zu verschaffen, sie unternehmen ausgedehnte Pilgerfahrten zur Bleibe eines Freundes, in der Hoffnung, dass A vielleicht noch was hat, wenn B auf dem Trockenen sitzt. Als Säufer kann man sie eigentlich nicht bezeichnen: sie trinken eben einfach. Ein Gutteil von Hettys Geld fließt in Alkohol für Donat und seine Freunde. »Meine blöde kleine Kapitalistenkuh zahlt schon«, sagte er, und das tut sie.
    Onkel Frank ist über all dies sehr bestürzt, aber Tante Rose sagt ganz ruhig, während sie Hetty mit ihren fanatischen blauen Augen mustert, dass das alles unvermeidlich sei. Hetty sei nicht der bourgeoise, häusliche, mütterliche Typ. Sie sei eine Neurotikerin, die für ein Genie rückhaltlos alles opfere; das Produkt eines dekadenten Gesellschaftssystems, das auf dem Individualismus beruht, sagt Tante Rose und schaut von dem Pamphlet gegen die Faschisten auf, an dem sie gerade arbeitet. Sie müsse auf ihre Weise versuchen, zu sich selbst zu finden – falls das möglich sei. Tante Rose hilft Hetty, vor Tante Spring geheim zu halten, dass sie nicht mehr bei den Verwandten wohnt, und sie gibt ihr gelegentlich ein paar ungeschminkte Ratschläge zu Donat, die Hetty auch einleuchten. Sie gibt den beiden jungen Leuten Tüten voller Lebensmittel und auch gelegentlich eine Flasche mit, die weit mehr geschätzt wird als das Essen. Hetty kann nicht behaupten, dass sie Tante Rose mag, aber sie hat großen Respekt vor ihr. Sie spinnt zwar, aber dumm ist sie nicht.
    Mrs Spring ahnt, dass mit Hetty etwas nicht stimmt, denn das Mädchen ist auf einmal so blass und still und wirkt viel erwachsener. Aber sie fragt nicht, was los ist. Hetty hat nun ihren eigenen Weg eingeschlagen, so wie sie immer wollte, und den muss sie jetzt gehen. Sie, Mrs Spring, hat fast zwanzig Jahre lang versucht, Hetty zu ändern; das hat sie jetzt aufgegeben. Dass Hetty nicht so werden wollte wie ihre verstorbene Mutter, ist die größte Enttäuschung ihres Lebens. Mrs Spring ist mehr als nur ein wenig verbittert gegenüber ihrer Nichte. Hinzu kommt, dass sie jetzt Viola hat, ein charmantes Mädchen und ganz so, wie ein junges Mädchen ihrer Meinung nach sein sollte – kein Wunder also, dass Mrs Spring Hetty sich selbst überlässt.
    Viola ist die Tochter, die sich Mrs Spring immer gewünscht hat und die Hetty und Phyllis leider nie waren. Mrs Spring ist über Vics zweite (und so plötzliche!) Verlobung zunächst erstaunt und entsetzt, aber schon nach Violas erstem Besuch ändert sie ihre Meinung. Sicher, das Mädchen ist eher ungeschliffen und wirkt jung für ihr Alter und erst ihre Kleidung! Aber sie ist so freundlich, so voller Dankbarkeit und Freude über ihr unerwartetes Glück, so verliebt in Victor und vor allem so gutwillig und überhaupt nicht herrschsüchtig oder zänkisch, dass Mrs Spring gar nicht anders kann, als ihr Herz zu öffnen. Was ihren Kleidergeschmack betrifft, an dem lässt sich ja arbeiten, noch ein paar Expertentipps zu Frisur und Schminke, und schon lässt sich aus ihr die hübscheste Braut machen, die man sich nur vorstellen kann.
    Auch ist sie frei von Furcht und Feindschaft gegenüber ihrer Schwiegermutter, sie fragt Mrs Spring um Rat, wenn es um ihre Brautausstattung oder auch die Einrichtung und Ausstattung der neuen Londoner Wohnung geht, und sie tut dies obendrein auf eine höchst schmeichelhafte Art. Tatsächlich ist Mrs Spring so hingerissen von Viola, dass es Jahre dauert, ehe sie merkt, wie viele von den kleinen, von ihr vorgeschlagenen Veränderungen Viola klammheimlich wieder rückgängig gemacht hat. Aber da sind ihr Viola und die Kinder schon so ans Herz gewachsen, dass sie eher belustigt als verärgert ist. Ganz schön gerissen, die kleine Unschuld, denkt sie. Ja, ja, stille Wasser sind tief.
    Diese Davis, zum Beispiel. Mrs Spring hat Viola gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft dringend

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