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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ist sie doch beherrscht von Insekten und dem hirnlosen Wachsen und Wuchern pflanzlicher Formen. Kleine Kiesel und kleine Mulden sind Klippen und Schluchten genug für meinen Pantheismus.
    (Pascal fürchtete sich auch vor der Landschaft. Wie sehr mich nach den Pensées verlangt! Die Squaw am Verkaufsstand gab mir ein Buch von John Dickson Carr und eines von P. G. Wodehouse, und als ich mich vorsichtig erkundigte, ob sie irgend etwas von Dorothy Sayers hätte, errötete sie so schlimm, als hätte ich nach der Summa Theologica gefragt.)
    Summa summarum und um meine heutige Selbstprüfung zu einem Ende zu bringen – mir blieb nichts anderes übrig, als in meines Vaters Fußstapfen zu treten und Geistlicher zu werden: die Möbel zwangen mich dazu. Ich wurde Barthianer, in Widerspruch zu seiner liberalen Theologie, einem lächelnd umhertappenden Abklatsch des deutschen Pietismus, von Hegels, Schleiermachers und Ritschels mit vielen Netzen abgesicherten Versuchen, alle Wege gleichzeitig zu beschreiten, und von jenen tatterigen anglikanischen Empirikern, welche die theologischen Artikel zur Encyclopaedia Britannica beisteuern. (Kein Wort über Kierkegaard! Über Baudelaire! Über den Großinquisitor! Wo ist der Sprung! der Abgrund! die schwarze Glaubwürdigkeit des deus absconditus! Statt dessen feinfingerige Pingeligkeit, die sich in nichts von der Art der Nachbarartikel über Lebensformen in stehenden Gewässern und Makromoleküle unterscheidet.) Es war eine Haltung, die er wiederum, dem Höllenfeuer zum Trotz, in Widerspruch zu seinem Vater eingenommen hatte, einem anti-darwinschen Fundamentalisten, einem faßrollenden Erweckungsprediger, der bußfertig den Sümpfen von Pionier-Säufereien entstiegen war. Zweifellos spielen solche Nuancen eine geringere Rolle, als wir von der Branche uns vorstellen.
    Und zweifellos wird ein Daiquiri weniger vor dem Lunch Wunder wirken, was meine sonnenstichigen kurzen Putts nach dem Essen angeht. Der Kleine aus Tennessee, ein heimlicher Homosexueller, wenn ich seine Körpersprache richtig lese, ist glänzend bei Putts aus zwei Meter Entfernung und weniger.
    Nein. Zwei Dinge fielen mir ein, als ich das Bad nach dem Coppertone durchstöberte. Erstens bin ich Barthianer nicht aus purer Gegenwehr geworden, sondern aus bejahender Liebe zu Barths Sprache, zu seiner ganz und gar männlichen, ganz und gar sachkundigen, gänzlich unerschrockenen Sprache. In seiner Prosa werden Dornen eßbar wie für die Giraffen. Bei Barth vernahm ich mit achtzehn die Stimme, die mein Vater hätte haben sollen.
    Zweitens ist meine Intuition Objekten gegenüber derjenigen Robbe-Grillets genau entgegengesetzt. Robbe-Grillet intuiert (Transkription eines Vogelrufs: in-tu-iert, in-tuuh-irrt) in Tischen, Zimmern, Messern etc. eine Leere, die von dem allumfassenden Nichts widerhallt. Er braucht nur einen Stuhl zu beschreiben, und schon wissen wir, daß Gott abwesend ist. Während in mir, wenn ich eine Fensterscheibe verkitte, das Gesicht nahe darüber gebeugt, der klare Verdacht erwacht, daß irgend jemand in der unmittelbaren Nachbarschaft unermeßlich und verschwiegen Sorge trägt. Gott. Da ich, bevor die Sprache in mir dämmerte, wußte, was das Wort bedeutete, ist alles Feilschen, was das betrifft, sprachliche Sophisterei. «Das Gesicht nahe darüber gebeugt» erinnert mich (falls dich, vermuteter Leser, derartige Zusammenhänge interessieren) an jene Rothaarige einige Seiten und noch mehr Jahre zuvor, «deren Schamhaar ihren Schatz so nett umrahmte wie die Devise Excelsior ein altes ererbtes Medaillon». Dachkammernähe. Ich frage mich wahrhaftig, ob «Liebe» (altes Hurenwort, lassen wir dich, durch Anführungsstriche desinfiziert, dieses eine Mal herein) nicht eher ein vergegenständlichender als ein entgegenständlichender Prozeß und «Sexobjekt» nicht der Gipfel einer Huldigung ist.
    Weg mit der Personheit! Wischen wir die verschüttete Religion auf! Wir wollen sie in ihren ursprünglichen Steinkrügen oder gar nicht!

4
    Ich erbte sie. Alicia war von meinem Vorgänger angestellt worden, einem trägen Gnostiker, der sich nur durch den mächtigen Gott der Kirchenfinanzen zu dynamischer Aktivität bewegen ließ. Da er unserer Herde und ihren Fellen in den üppigen Jahren gedient hatte, hinterließ er mir ein fettes Portefeuille und magere Besucherzahlen. Ja, man erzählte mir, Reverend Morse sei der Meinung gewesen, nichts könne das Leben eines Gemeindemitglieds schöner zieren, als wenn es selbiges mit einer

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