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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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gewordene Kirchenschiff davonging, auf die Spitzbogentür zu und den schwarzen Wagen auf dem schwarzen Parkplatz draußen.
    «Gute Nacht, Mrs. Crick.»
    «Gute Nacht, Reverend Marshfield.»
    Der Luftzug von der geöffneten Tür her traf in dem Augenblick meine Knöchel, als das Geräusch der sich schließenden Tür an mein Ohr drang. Ich fühle, wie meine Soutane in diesem Windhauch weht. Es ist tiefster Winter. Reverend. Ein Frösteln. Ihr blonder Schimmer, der sich durch den Mittelgang entfernt, sich in düsteres Brünett verwandelt. Ihr Hinterteil in der hautengen Hose überraschend füllig und ausdrucksvoll. Eine Andeutung von Kummer um die Schultern herum. Ihr rundlicher alter Chevrolet. Von den Donnerstagabenden und den Sonntagvormittagen abgesehen, wußte ich wenig über das Leben, das sie führte. Sie gab im Nachbarort Klavierstunden. Sie hatte zwei Kinder, die nicht zur Sonntagsschule kamen. Sie mußte Freunde haben.
    «Das ist eine Unterstellung», sagte ich weiter oben, nach ihrem «Getue». «Was wollen Sie damit sagen?» Meine Vorsicht war nicht nur die des Beobachters, sondern auch die des Beobachteten. Seit einiger Zeit schon war ihre Aufmerksamkeit auf mich gerichtet: meine Nackenhaare wußten es.
    Sie saß auf der Armlehne einer Kirchenbank und zog das pastellfarbene Notenbündel noch fester an sich. In dieser angespannten Haltung traten ihre Knie, die knochiger waren als alles übrige an ihr, hervor und drückten weißliche Flecken in das gedehnte Gewebe ihrer enganliegenden Hose. War sie nahe daran zu weinen? Ihre Stimme klang kühl. «Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich damit sagen wollte. Sie sind ein guter Mensch. Nein, das sind Sie nicht. Es tut mir leid, aber ich weiß nicht mehr, was ich sage. Es ist etwas anderes, was mich aufgeregt hat, nicht Sie.»
    «Möchten Sie mir nicht sagen, was?» fragte ich, obwohl ich eigentlich lieber mehr über mich, über ihr Bild von mir, hören wollte.
    «Oh, ein Mann.»
    «Der Sie nicht heiraten will?»
    Sie blickte auf, ihre Augen hinter den getönten Gläsern waren rötlich und müde. «Das muß es wohl sein», sagte sie sarkastisch.
    «Ich irre mich also», sagte ich mit fragendem Unterton.
    «Sie kommen der Sache nahe genug.» Ihr Kopf senkte sich wieder. «Man wird es so leid», fügte sie, auf «man» ausweichend, in einem schwachen Versuch, sich zu entschuldigen, hinzu.
    Ihr eigenes Leben, das gotische Schnitzwerk der Kirche, die Nacht und die Stadt draußen, die Gemeinde und das müde, gedrängte Gemeindeleben – alles lief wie auf einem Bild von Uccello in dieser Traurigkeit zusammen; ich befand mich in einem schwarzen Mittelpunkt, einem von Moder verdunkelten Fleck auf einem Wandgemälde; ich nahm meine weißen Hände wahr, ängstlich vor mich hingestreckt, als wollten sie ein Kartenhaus in der Luft errichten. In meinen Handflächen kribbelte es. Alicias gesenkter Kopf glühte. Bis zu diesem Augenblick, in den vier Jahrzehnte mündeten, war ich meiner Frau nie untreu gewesen. Es hatte nicht minder starke Versuchungen gegeben, aber mein Wille, mich versuchen zu lassen, war schwächer gewesen.
    «Was wird man so leid? Erzählen Sie.»
    Sie hob ihr Gesicht; ihr Gesicht war hinter Glas.
    Was meine ich, wenn ich das schreibe? Will ich damit auf jenen Augenblick den späteren Augenblick verlegen, als sie tatsächlich hinter Glas war – ihr Fuß und ihr Haar, bei Ned? Oder sekretierte mein Wissen, daß sich eine Verführung anbahnte, daß dieses Gesicht, wenn nicht jetzt, so doch später berührt werden konnte, in Panik eine durchsichtige Barriere? Ihre Kinnlade wies eine merkwürdige, überhebliche, häßliche, verklemmte Haltung auf, so als sei sie drauf und dran, Kaugummi zu kauen. «Männer», sagte sie, fragend – «?» Die leichte Hebung der Stimme, durch die sie die Antwort offenließ, war ein Anerbieten. Sie klemmte es nach einer Pause weg. «Sie wären entsetzt, wenn ich Ihnen erzählte.»
    Ich ließ es lieber nicht auf einen Disput ankommen. Immer sachte, wenn man einen Golfschläger schwingt oder die Attacken einer Frau pariert. Der Schläger schafft es von allein. Vielleicht habe ich auch in dieser Schutzzone meines Schweigens beschlossen, sie die kurze Abfertigung später büßen zu lassen. Doch mag dieser grausame Impuls wiederum rückschauend vorverlegt worden sein, eine spätere Schleife der Filmüberlappung.
    «Dann sprechen Sie über mich», sagte ich kühn und unbekümmert, ein moderner Geistlicher, der auf der Lehne einer Bank

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