Der Spieler (German Edition)
Duft.
»Aber ein Pascho, ein Jai Pascho!« Bia’Hannas Hochzeitsreifen klimperten, als sie die runzlige Hand nach der dampfenden Tasse ausstreckte. Zusammen mit all ihren Freundinnen saßen sie im Haus von Raphels Familie beisammen, eine kunterbunte Gruppe lachender, blaugekleideter, verheirateter Frauen, die sich um seine Mutter scharten. Sie alle waren aufgeregt und glücklich über die Einladung zu dieser Familienzusammenkunft.
Wieder blitzten Bia’Hannas Goldzähne auf, und sie sah zu Raphel hinüber. Ihr Stolz auf die im Grenzgebiet zu Keli gerichteten Zähne spiegelte sich in dem breiten Lächeln, das sie gerne zeigte. »Ja, du bist bestimmt sehr stolz. Dein Sohn kehrt als Pascho zu dir zurück, und das in seinem Alter.« Anerkennend schlürfte sie ihren Tee. »Du machst den besten Rauchtee, Bia’Pascho.«
»Hör schon auf mit diesem Bia’Pascho-Unsinn. Ich war vorher Bia’Raphel. Und ich bin auch jetzt noch Bia’Raphel – egal, was mein törichter Sohn getan haben mag.« Während Raphels Mutter sich abwandte, geschickt mit dem geschwärzten Stahltopf hantierte und einer anderen Frau nachschenkte, umschlang die freie Hand ihre blauen Rockfalten, damit sie nicht über den Boden schleiften.
Bia’Hanna lachte. »So bescheiden. Aber schau doch, wie gut ihm die Zeichen des Vollendeten stehen.« Sie deutete auf Raphel. »Sieh doch, seine Hände, Jai Bia’. Die Schrift in seinem Gesicht, so viel Wissen auf der Haut, und das ist nur ein Bruchteil von dem, was in seinem rasierten Kopf herumgeistert.«
Leicht beschämt angesichts der plötzlichen Aufmerksamkeit der Frauen zog Raphel den Kopf ein und blickte auf seine Hände. Auf dem linken Handrücken befanden sich die ersten Zeichen, die er erhalten hatte: die winzig kleinen Buchstaben des alten Alphabets. Von dort aus zog sich die Schrift in der Farbe getrockneten Blutes den ganzen Arm hinauf bis unter seine Gewänder. Als Symbole seiner Weihe und Erinnerungshilfen der ursprünglich gesungenen zehntausend Strophen waren sie ihm über die Jahre, in denen er immer weiter aufstieg, zeremoniell eintätowiert worden. Fest verankert im Kern der Pascho-Lehre diente jede Einzelne davon der Bewahrung des Wissens und dazu, den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt festzuhalten. In der spitzen Schrift der Alten verfasst, bedeckten sie seinen Körper und gaben ihr Wissen in teilweise verschlüsselter Form weiter. Etwas, das erinnert werden musste und auch den Paschos, die später ausgebildet wurden, den Zugang zu den unabänderlichen Quellen der Weisheit gewährleistete.
Als Raphel den Blick wieder hob, konnte er den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht seiner Mutter erkennen. Auch Bia’Hanna war die verstohlene Freude seiner Mutter nicht entgangen. Sie tätschelte ihr die Hüfte, als sie einer anderen Frau nachschenken wollte. »Na also! Siehst du, Jai Bia’? Siehst du, wie die Mutter vor Stolz darüber errötet, was ihr Sohn erreicht hat? Passt auf, sie wird ihm noch eine Braut suchen, bevor die Sonne den Talrand berührt.« Als sie kicherte, funkelnden ihre Goldzähne im schummrigen Licht der Haci. »Schließt eure Töchter ein, Jai Bia’, sie will sie alle für ihren tätowierten Sohn ernten.«
Auch die anderen Frauen stimmten in das Gelächter ein und gaben neckische Kommentare darüber ab, wie viel Glück Bia’Pascho doch habe. Dabei blickten sie auch in Raphels Richtung und musterten ihn prüfend. Seine Mutter nahm die Scherze und die Bewunderung gerne hin, denn mit Bia’Raphel war es vorbei. Jetzt war sie Bia’Pascho. Mutter des Pascho. Eine große Ehre.
»Schaut nur! Er ist durstig!«, kreischte Bia’Hanna und deutet auf Raphels leere Tasse. »Du übergehst unseren neuen Pascho.«
Raphel lächelte. »Nein, Bia’, ich habe nur auf eine Pause zwischen euren Ausbrüchen gewartet, um zu sprechen.«
»Frecher Pascho. Wenn wir nicht Quaran einhalten müssten, dann würde ich dein Hinterteil zum Erröten bringen. Vergiss ja nicht, das ich es war, die dich beim Ausrupfen von Bohnensetzlingen erwischt hat, als du mir gerade mal bis zur Hüfte gingst.«
Die Frauen lachten. Bia’Hanna hielt ihr Publikum weiter bei Laune, indem sie wild mit den Armen fuchtelte, als wäre sie heftigst empört. »Er sagte, er wolle nur helfen ...«
»Das ist wahr!«
»... und was blieb übrig? Zerrissenes Grünzeug! Als wäre ein Tornado hindurchgefegt. Gut, dass er sich einen anderen Beruf gesucht hat, Bia’Pascho. Deine Felder hätten seine Rückkehr sonst nicht
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