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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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riecht an ihnen – und wirft sie angewidert beiseite, als er ihr von Rostwelke befallenes Inneres sieht. Manche Früchte riechen noch immer gut, aber nicht einmal Krähen essen sie, wenn sie verdorben sind. Über eine aufgedunsene Leiche würden sie ohne Zögern herfallen, aber Rostwelke meiden sie wie die Pest.
    Ein Stück die Straße hinunter schaufeln die Lakaien des Kadaverkönigs den Kot der Tiere in Säcke und werfen die Säcke auf Rikscha-Anhänger: Die Ernte der Nacht wird eingebracht. Sie beobachten ihn misstrauisch. Tranh wendet den Blick ab, um sie ja nicht zu provozieren, und schlurft weiter. Was hätte er auch auf einem illegalen Dungfeuer zubereiten sollen? Er hat nicht einmal Verbindungen auf dem Schwarzmarkt, um den Dung zu verkaufen. Tranh fragt sich, wie es wäre, bei der Dungsammlergewerkschaft angestellt zu sein und die Komposter der Methanrückgewinnungsanlagen mit Rohstoff zu versorgen – zu wissen, dass das eigene Überleben gesichert ist. Aber bisher ist es noch keinem Yellow Card gelungen, in diese ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen zu werden.
    Tranh entdeckt eine weitere Mango, nimmt sie in die Hand – und erstarrt. Rasch bückt er sich und kneift die Augen zusammen. Schiebt Flugblätter beiseite, die das Handelsministerium kritisieren oder ein vergoldetes, dem Fluss geweihtes Wat fordern. Unter schwarzen, glibberigen Bananenschalen kommt ein geborstenes Reklameschild zum Vorschein, von dem er vermutet, das es sich früher über diesem Marktplatz erhoben hat: -ogistik. Transport. Hande- . Den Hintergrund der Buchstaben bildet die herrliche Silhouette der Morgenstern , ein Teil des Logos von ›Drei Reichtümer‹, das aus drei Klippern bestand, die, so schnell und schneidig wie ein Hai, vor dem Wind segelten – Gestalt gewordene Hochtechnologie aus Palmölpolymeren und Segeln so weiß und scharf wie Möwenflügel.
    Tranh wendet den Blick ab. Er zittert am ganzen Körper. Es ist, als hätte er ein Grab geöffnet und seinen eigenen Leichnam darin gefunden. Seinen Stolz. Seine Blindheit. Aus einer Zeit, als er sich einbildete, mit den fremden Teufeln konkurrieren und ein Schifffahrtsmagnat werden zu können. Ein Li Ka Shing oder ein wiedergeborener Richard Kuok, der eine zweite Expansion einleiten würde. Der den Nanyang-Chinesen zu neuem Glanz und Ruhm verhelfen würde. Und hier stößt er auf einen Teil seines Egos, unter Abfall begraben, von Rostwelke und Teufelskatzenurin zerfressen. Was für ein Schlag ins Gesicht!
    Er tastet herum, sucht nach weiteren Überresten des Schildes und fragt sich, ob irgendjemand noch manchmal die alte Telefonnummer wählt und ob der Sekretär, dessen Gehalt er einmal bezahlt hat, noch immer an seinem Schreibtisch sitzt, ob er für einen neuen Chef arbeitet, für einen Malaien vielleicht, dessen Stammbaum und Glauben über jeden Zweifel erhaben sind. Ob die wenigen Klipper, die er nicht mehr versenken konnte, noch immer über die Meere fahren und die Inseln und Archipele beliefern? Er zwingt sich, mit der Sucherei aufzuhören. Selbst wenn er das Geld hätte, würde er diese Nummer nicht wählen. Er möchte nicht noch einmal mit allem, was er verloren hat, konfrontiert werden.
    Er richtet sich auf, und die Teufelskatzen, die sich an ihn herangeschlichen haben, schießen davon. Auf diesem Markt gibt es nichts außer fauligen Schalen und frischem Dung. Wieder hat er nur Kalorien verschwendet. Sogar die Kakerlaken und die Blutkäfer hat schon irgendjemand abgesammelt. Selbst wenn er noch stundenlang sucht, wird er nichts finden. Zu viele Menschen waren schon hier und haben diese Knochen abgenagt.
     
    Dreimal versteckt er sich auf dem Weg nach Hause vor den Weißhemden, dreimal duckt er sich in dunkle Ecken, während sie vorbeistolzieren. Ihm läuft ein kalter Schauer über den Rücken, so nahe sind sie ihm. Wenn er doch nur nicht diesen verfluchten weißen Anzug anhätte, der in der Dunkelheit so sehr auffällt! Beim dritten Mal erfüllt ihn abergläubische Angst. Als wünschten seine vornehmen Kleider ihrem Träger den Tod, scheinen sie die Patrouillen des Umweltministeriums geradezu magisch anzuziehen. Schwarze Schlagstöcke werden nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt wie beiläufig herumgewirbelt. Federpistolen funkeln silbern in der Nacht; er kann sogar die Spitzen der Scheiben zählen, die in ihren Patronengurten aus Jute stecken! Ein Weißhemd hält inne und pisst in die Gasse, in der Tranh kauert – er sieht Tranh nur deshalb nicht, weil sein

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