Der Spieler (German Edition)
»Es war richtig, dass Sie mich gefeuert haben.«
Tranh schnaubt verächtlich. »Damals waren Sie anderer Meinung.«
»Ich war wütend. Woher hätte ich wissen sollen, dass Sie mir damit das Leben retteten?« Er zuckt mit den Achseln. »Wenn Sie mich nicht rausgeworfen hätten, hätte ich Malaya niemals verlassen. Ich hätte den Zwischenfall bestimmt nicht kommen sehen. Ich hätte viel zu viel daran gesetzt, im Land zu bleiben.« Unvermittelt setzt er sich aufrecht hin und bedeutet Tranh mit einer Handbewegung, sich zu setzen. »Kommen Sie. Trinken Sie etwas. Essen Sie etwas. Das bin ich Ihnen schuldig. Sie haben mir das Leben gerettet. Und ich habe es Ihnen schlecht gedankt. Setzen Sie sich!«
Tranh wendet sich ab. »So tief bin ich noch nicht gesunken.«
»Ist es Ihnen so wichtig, das Gesicht zu wahren, dass Sie nicht einmal etwas zu essen annehmen können? Springen Sie über Ihren Schatten! Mir ist es gleichgültig, wenn Sie mich hassen. Aber nehmen Sie mein Angebot an. Sie können mich immer noch verfluchen, wenn Sie einen vollen Magen haben.«
Tranh versucht, seinen Hunger zu bezwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen und davonzugehen, aber er kann es nicht. Er kennt Männer, die aus Stolz eher verhungern würden, als Mas Reste anzunehmen, aber er gehört nicht dazu. In einem früheren Leben vielleicht. Aber in diesem Leben ist er so oft gedemütigt worden, dass er gelernt hat, wer er wirklich ist. Er hat keine Illusionen mehr. Also setzt er sich hin. Ma strahlt über das ganze Gesicht und schiebt die Teller über den Tisch.
In einem früheren Leben, so denkt Tranh, muss er sich eines ernsten Vergehens schuldig gemacht haben. Trotzdem muss er sich zusammenreißen, um nicht mit bloßen Händen nach dem öligen Essen zu greifen. Schließlich bringt ihm der Inhaber der Garküche ein Paar Essstäbchen für die Nudeln und Gabel und Löffel für den Rest. Nudeln und Hackfleisch gleiten ihm die Kehle hinunter. Er versucht zu kauen, aber kaum berührt das Essen seine Zunge, schlingt er es hinunter. Essen und immer mehr Essen. Er hebt einen Teller an die Lippen und schaufelt die letzten von Mas Resten in sich hinein. Fisch und grüner Koriander und heißes, dickflüssiges Öl – alles fühlt sich an wie ein Segen.
»Gut. Gut.« Ma winkt dem Betreiber der Garküche, und sofort wird ein Whiskyglas ausgespült und auf den Tisch gestellt.
Der durchdringende Duft des Schnapses umschwebt Ma wie eine Aura, als er einschenkt. Tranh spürt, wie sich seine Brust zusammenzieht. Sein Kinn ist ganz ölverschmiert, so hastig hat er gegessen. Er wischt sich den Mund am Arm ab und schaut zu, wie die bernsteinfarbene Flüssigkeit in das Glas plätschert.
Früher hat Tranh Cognac getrunken: XO. An Bord seiner eigenen Klipper importiert. Angesichts der Transportkosten ein sagenhaft teurer Stoff! Mit dem Geschmack der fremden Teufel vor der Kontraktion. Ein Gespenst aus einer utopischen Vorzeit, dem die neue Expansion wieder Leben eingehaucht hat – und die Feststellung, dass die Welt wieder einmal kleiner wurde. Ein neuartiger Rumpf und Fortschritte bei der Polymerherstellung machten es möglich, dass seine Schiffe den ganzen Globus befuhren und mit sagenhaften Schätzen zurückkehrten. Und seine Kunden in Malaya kauften ihm alles ab, ganz gleich, welcher Religion sie anhingen. Was für Profite er dabei gemacht hatte! Er verdrängt den Gedanken, als Ma das Glas über den Tisch schiebt und sein eigenes hebt. All das liegt lange zurück. Sehr lange.
Sie trinken. Der Whisky brennt Tranh warm im Magen, wo er sich zu Chilis und Fisch, zu Schweinefleisch, heißem Öl und gebratenen Nudeln gesellt.
»Wirklich schade, dass Sie die Stelle nicht bekommen haben!«
Tranh zieht eine Grimasse. »Spotten Sie nur! Das Schicksal wird schon alles wieder ins Gleichgewicht bringen. Das habe ich am eigenen Leibe erfahren.«
Ma winkt ab. »Ich spotte gar nicht. Wir sind einfach zu viele, das ist es. Sie waren zehntausendmal überqualifiziert für diesen Job. Für jeden Job.« Er nippt an seinem Whisky und mustert Tranh über den Rand seines Glases hinweg. »Wissen Sie noch, wie Sie mich mal als faule Kakerlake beschimpft haben?«
Tranh zuckt mit den Achseln – er kann einfach nicht den Blick von der Whiskyflasche abwenden. »Ich habe Sie noch Schlimmeres genannt.« Ob Ma ihm noch einmal nachschenken wird? Wie reich er wohl ist – und wie großzügig? Es ist ihm zuwider, dass er einen Jungen anbetteln muss, den er einmal hinausgeworfen hat
Weitere Kostenlose Bücher