Der Spieler (German Edition)
in den Staub unter dem Sternenhimmel.« Dabei hatte er in sich hineingelacht. »Wir haben Keli niedergebrannt. Es in Schutt und Asche gelegt.«
»Großvater?«, rief Raphel ins Halbdunkel der Haci hinein.
Das metallische Schleifgeräusch verstummte kurz. Dann setzte es wieder ein. Hinter einer Mauer ganz in der Nähe spielten Kinder miteinander und versuchten mit Steinen die Steine der anderen von einem Pfahl in ihrer Mitte wegzuschießen. Ihre Freudenschreie und enttäuschten Ausrufe fingen sich in der Hitze des Tages.
»Großvater?«, fragte Raphel noch einmal.
Das Schaben setzte aus. Raphel beugte sich vor und steckte den Kopf in den Eingang. Heißer Wind fuhr über den Innenhof und trieb den Vorhang auseinander. Raphel spitzte die Ohren. Vernahm ein langsames Atmen. Dann endlich sagte eine raue Stimme: »Du bist also zurückgekehrt.«
»Ja, Großvater.«
»Lass mich sehen.«
Als Raphel den elektrisch aufgeladenen Vorhang beiseiteschob, spürte er ein leichtes Kribbeln an den Fingerspitzen. Dann trat er hindurch. In der Hütte war es angenehm kühl. Er zog das Tuch enger um sein Gesicht und wartete, bis sich seine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Langsam bildeten sich verschwommene Umrisse heraus. Sein Großvater saß neben der Feuerstelle, ein vornübergebeugter Schatten. In seinen Händen schimmerten ein Hakenmesser und der Schleifstein. Die Feuerstelle war kalt und schwarz. Auf der einen Seite des Raums lag die Matratze des Mannes auf dem Boden. Laken und Bettzeug waren zerwühlt. Überall waren Kleider verstreut. Nur die Hakenmesser wirkten gepflegt. Ihre Klingen glänzten im schwachen Licht wie Trophäen all der Männer, die er ins Jenseits befördert hatte.
Der Schattenkörper des alten Mannes bewegte sich. Das Hakenmesser in seiner Hand glitzerte. »Ein Pascho. Ein Keli-Pascho.«
»Ja, Großvater.«
»Das gefällt deiner Mutter bestimmt.«
»Ja.«
Das Lachen des alten Mannes ging in ein Husten über. »Dumme Frau. Wahrscheinlich sucht sie bereits eine geeignete Braut für dich.« Wieder lachte er. »Ich vermute, du hältst dich jetzt für einen wichtigen Mann, weil du die zehntausend Strophen auswendig gelernt hast?«
»Nein.«
Der alte Mann deutete mit dem Kopf auf ein Bild, das an der Wand hing. »Warum nicht? Dein Abbild ist dir vorausgeeilt.«
Raphel wandte sich dem Foto zu, das ihn selbst in seinen Paschogewändern zeigte, wie er lächelnd neben dem Oberhaupt der Keli-Paschos stand. Seine Tätowierungen waren noch ganz frisch, dunkel und gut zu lesen. Die des älteren Mannes jedoch waren verblichen und unter Falten vergraben, als sei das eingeritzte Wissen tief in das Wesen des alten Pascho eingesunken. »Ich verlange von niemandem, mich zu verehren«, sagte Raphel.
»Und doch tun sie es. Ach, natürlich tun sie das. Der Pascho wird schon dafür sorgen. Eure Lakaien gehen euch voraus, verteilen eure Bilder, berichten von eurer Weisheit.« Der alte Mann lachte. »Wenn ein Pascho spricht, glaubt ihm jeder. Der allsehende, stets gütige Pascho. Wer würde die Jai um Rat anflehen, wenn doch ein Pascho unter ihnen ist?«
»Ich bin Jai und Pascho. Das eine schließt das andere nicht aus.«
»Glaubst du nicht?« Der schwarze Schatten des Mannes schüttelte sich hustend und lachend, bis er kaum noch Luft bekam. Ein Glitzern verriet, dass sich sein Hakenmesser bewegte, dann begann er wieder mit dem Messerwetzen. Das schrille, rhythmische Kratzgeräusch, wenn die Klinge auf den Stein traf, erfüllte die Hütte. »Ich habe Keli niedergebrannt«, sagte er mit rauer Stimme. »Würdest du dasselbe tun? Dort sind all deine Pascho-Freunde. Keli-Mädchen. Ich habe sie alle abgeschlachtet. Das ist Jai.«
Mit drei Metern Abstand hockte sich Raphel auf die festgetretene Erde des Hacibodens. Nachdem er seine Gewänder geordnet hatte, setzte er sich mit gekreuzten Beinen hin. »Kein einfaches Unterfangen, eine Wasserstadt in Brand zu setzen.«
Der alte Mann warf ihm einen verschmitzten Blick zu, bevor er sich wieder dem Schleifen zuwandte. »Selbst Wasser brennt.«
»Napalm. Diese Waffe sollte besser vergessen werden.«
»Wenn es nach den Paschos ginge. Aber die Jai haben ein gutes Gedächtnis. Wir haben unsere eigenen Aufzeichnungen und ein sehr, sehr gutes Gedächtnis, oder etwa nicht, Enkel?«
»Das Volk der Keli genauso. Dein Name ist ihnen noch lebhaft in Erinnerung.«
»Tatsächlich?«
»Sie spucken aus, wenn sie von dir reden.«
Der alte Mann lachte mit rasselndem Atem. »Das
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