Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
Vom Netzwerk:
ist gut.« Er hielt bei seiner Arbeit inne und schaute mit einem misstrauischen Blick aus schmalen Augen zu Raphel auf. »Und hast du mit ihnen gespuckt?«
    »Was glaubst du?«
    Der alte Mann zeigte mit dem Hakenmesser auf Raphel. »Ich glaube, dass deine Haut sich nach Kelis klaren Gewässern verzehrt und dir die Finger jucken, weil sie die seidigen Zöpfe eines Kelimädchens berühren möchten. Das glaube ich.« Er widmete sich wieder seinem Messer. »Ich glaube, dass deine Nase den Fliederduft der tausend Seen schnuppern möchte.«
    »Ich wurde in Keli ausgebildet, Großvater, bin aber noch immer Jai.«
    »Das behauptest du«, brummte der alte Mann. Legte Messer und Wetzstein beiseite und wandte sich zu einem Regal gleich neben ihm. Die dünnen Finger langten nach einer dicken Flasche. »Trinkst du mit?«
    Eilig raffte Raphel seine Gewänder und erhob sich. »Ich sollte einschenken.«
    Lachend zog sich der Alte vor ihm zurück. »Und Quaran brechen?« Er schüttelte den Kopf. »Du bist zu lange in Keli gewesen. Halte den Abstand ein, Enkel.« Er zog den Korken aus der Flasche und goss Mez in zwei Tonbecher. Der scharfe Geruch des klaren Schnapses erfüllte den dämmrigen Raum. Der alte Mann ließ sich behutsam auf dem Boden nieder und schob einen der Becher von sich weg, bis er zwischen ihm und seinem Enkel stand. Dann schleppte er seinen verkrüppelten Körper langsam zurück in die Dunkelheit und hievte sich auf seinen Sitz am Rand der Feuerstelle. Raphel wartete die vorgeschriebenen zehn Herzschläge; erst dann beugte er sich vor und zog den Tonbecher zu sich heran.
    »Auf unsere Vorfahren.« Der Alte hob seinen Becher zum Himmel, dann schüttete er ein wenig Mez auf den Boden. »Auf dass ihre Nachkommen sie nicht im Stich lassen.«
    »Mögen wir sie immer ehren.« Raphel tat es seinem Großvater gleich, indem auch er Schnaps ausschüttete. Die Tropfen sammelten sich wie Opale im Staub. Als er trank, brannte ihm die weiße Hitze des Schnapses in der Brust.
    Sein Großvater sah aufmerksam zu. »Ist wohl nicht so lieblich wie Kelis Reiswein?«
    »Nein.«
    »Nun, du kannst von Glück reden. Die Keli verkaufen ihren Wein jetzt auch hier. Viele trinken ihn.«
    »Das habe ich gesehen.«
    Der Alte beugte sich vor. »Warum bieten sie ihren Wein hier in der Ebene feil, Enkelsohn – begreifen sie nicht, dass wir Jai sind? Verstehen sie nicht, dass sie hier nichts zu suchen haben?«
    »Wenn es dich stört, könntest du den Keli Mez verkaufen.«
    »Mez ist für die Jai. Baji für die Keli.«
    Raphel seufzte. »Wird man weniger zu einem Jai, wenn man ihren Reiswein trinkt? Sickert er in einen Mann hinein und verwandelt ihn von innen heraus in jemand anderen?« Er nippte noch einmal an dem scharfen Mez. »Selbst du hast den Reiswein gekostet.«
    Der alte Mann machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nur, als ich ihre Wasserstadt eingenommen hatte.«
    »Dennoch hat er deine Wüstenzunge benetzt.« Raphel lächelte. »Hat es einen Keli aus dir gemacht?«
    Der alte Gawar lächelte höhnisch. »Das musst du die Keli fragen.«
    »Bei mir ist es dasselbe.«
    »Du? Du bist doch nur ein zahmes Haustier. Ich bin mir sicher, die Keli haben deinen zahnlosen Wüstenbiss genossen. Du bist kein Jai. Du bist jetzt einer von ihnen.«
    »Das stimmt nicht. Die Keli erkennen mich sofort als Jai: mein Akzent, meine Augen, mein Hakenmesser, mein Lachen, die alten Sitten und Gebräuche, an die ich mich noch immer halte. Wie lange ich auch unter Kelis Brücken hindurchgehen oder in den tausend Seen schwimmen mag, ich werde doch niemals Keli sein.«
    Der alte Mann verzog wütend das Gesicht. »Und nur weil Keli dich zurückweist, glaubst du ein Jai zu sein?«
    Raphel prostete seinem Großvater mit dem mezgefüllten Tonbecher zu. »Da bin ich mir sogar sicher.«
    »Nein!« Der Alte knallte seinen Becher auf den Boden. Er zerbrach, und Schnaps und Scherben verteilten sich überall. Ohne ihre scharfen Kanten zu beachten, fegte der alte Mann sie mit der Hand beiseite. »Du bist kein Jai! Wärst du einer, dann würdest du nicht hier sitzen und reden. Du würdest dein Hakenmesser zücken und mich niederstechen, weil ich dich beleidigt habe.«
    »Das ist nicht Jai. Das bist du, Großvater.«
    Der alte Mann suchte an der Herdstelle Halt und zog sich langsam hoch, bis er aufrecht stand. Wie ein ausgemergelter, verkrüppelter Falke, in dessen blutgetränktem Blick ein grausiges Feuer lodert. Während er sich am Kamin abstützte, sagte er mit überzeugter,

Weitere Kostenlose Bücher