Der Spinnenkrieg
verrückt – er stand praktisch vor dem unheimlichen Etwas, aber er konnte es immer noch nicht richtig erkennen. Vor dem Etwas lag eine tote Ratte. Ihr Rückgrat war gebrochen und der Körper mit einem Dutzend Wunden übersät, deren bloßer Anblick ihm den Magen herumdrehte. Ihre Krallen und die fast fingerlangen Reißzähne waren auch im Tode in den Körper ihres Gegners geschlagen, und Hartmanns Augen nahmen den Kadaver der Ratte in jedem noch so winzigen Detail wahr – aber nicht das Wesen, das sie umgebracht hatte! »Was … was ist das?« murmelte er hilflos. Er hob den Blick und sah Kyle an, aber im allerersten Moment erkannte er in dessen Gesicht nichts als Bestürzung und Ratlosigkeit. Es dauerte eine Sekunde, bis der Megamann überhaupt zu registrieren schien, daß er etwas gesagt hatte. »Das ist einer von ihnen«, sagte er. »Von ihnen?« wiederholte Hartmann. Plötzlich fuhr er zusammen. »Sie meinen … einer … der …« »… der Herren der Schwarzen Festung«, unterbrach ihn Kyle. Sein Gesicht verdüsterte sich. »Sie haben ihn erwischt. Aber der andere ist entkommen.« »Der andere?« »Sie sind immer zu zweit«, sagte Kyle. Er preßte die Lippen aufeinander und schlug sich mit der Faust in die geöffnete Linke. »Verdammt! Das hätte nicht passieren dürfen. Wenn er entwischt, dann war alles umsonst!« Plötzlich fuhr er herum und begann so wild und nervös zu gestikulieren und den Moroni Befehle zuzurufen, wie Hartmann ihn noch niemals zuvor erlebt hatte. Er hatte bisher geglaubt, daß es nichts gab, was den Megamann wirklich aus der Ruhe zu bringen vermochte; aber das war ein Irrtum gewesen. In die Moroni kam Bewegung. Hastig stürzten die Ameisenkrieger davon. Und obwohl auf den starren Insektengesichtern der Ameisen nicht die allermindeste Regung abzulesen war, wußte Hartmann, daß sie froh waren, aus der Nähe dieses unheimlichen Dinges zu entkommen. Beinahe gegen seinen Willen wandte er sich wieder um und versuchte erneut, die formlose Masse zu seinen Füßen irgendwie zu identifizieren. Das Wesen schien sich im Tode noch zu bewegen und zu regen, obwohl Hartmann sehr genau erkannte, daß es vollkommen still lag. Er hatte einen flüchtigen Eindruck riesiger, vielfach untergliederter Fühler und filigraner Glieder, eines gepanzerten mächtigen Körpers, der mit nichts Ähnlichkeit hatte, was er jemals gesehen hatte. Schaudernd trat Hartmann einen Schritt zurück und fuhr abermals zusammen, als sein Fuß gegen den Kadaver der Ratte stieß. »Wieso die Ratten?« murmelte er. Er hatte nicht damit gerechnet, aber Kyle antwortete. »Das sollten Sie besser wissen als ich, Hartmann. Sie waren es schließlich, die diese Tiere gezüchtet haben – zu dem einzigen Zweck, die Moroni zu vernichten.« Hartmann war verwirrt. Er glaubte sich den bitteren, vorwurfsvollen Ton in Kyles Stimme nicht nur einzubilden. »Sie waren die einzigen, die es schaffen konnten«, fuhr der Megamann fort. Seine Stimme klang jetzt wieder beherrscht, beinahe dozierend. »Sie spüren unsere Nähe so wie wir ihre. Und Sie und Ihre Männer hätten keine Chance gehabt, auch nur auf eine Meile an sie heranzukommen. Aber ich wußte, daß sie diese Tiere nicht als Gefahr einstufen würden.« »Ihre Rechnung scheint aufgegangen zu sein«, sagte Hartmann. Kyle schüttelte ruckhaft den Kopf. »Leider nicht ganz«, sagte er. »Wir müssen den anderen erwischen. Wenn er den Transmitter zerstört, dann war alles umsonst.« Hartmann legte den Kopf in den Nacken und blinzelte aus eng zusammengekniffenen Augen zu dem riesigen Metallring hinauf, der noch immer blaues Feuer spie. Irrte er sich, oder war das Gleißen ein wenig schwächer geworden? »Ich wüßte nicht, was es da noch zu zerstören gibt«, murmelte er. »Er wird es überstehen«, sagte Kyle achselzuckend. »Die Energie war gewaltig, aber das Netz ist groß genug. Eine vorübergehende Störung, mehr nicht.« »Energie? Welche Energie?« »Später«, sagte Kyle. »Wir müssen den anderen finden und ausschalten.« Er gab Net und Hartmann mit Handzeichen zu verstehen, ihm zu folgen, und lief los.
Kapitel 2
Das letzte, was sie gesehen hatte, war eine Woge blendendweißer, unerträglicher Helligkeit, die plötzlich da entstanden war, wo sich zuvor die Riesenhantel gedreht hatte, Licht von so unvorstellbarer Intensität, daß die Wände des Gleiters durchsichtig zu werden schienen. Es war, als hätte der gesamte Kosmos Feuer gefangen, ein Licht wie das Herz
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