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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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sollte.
    »Schnell, Sie Idiotin.« Mundt war vorgetreten und hatte sie am Handgelenk gepackt. »Schnell.« Sie ließ sich hinaus in den Gang ziehen. Verwirrt sah sie, wie Mundt die Tür ihrer Zelle wieder verschloß. Er faßte sie rauh am Arm und führte sie schnell, halb laufend, halb gehend den Gang entlang. Sie hörte das ferne Surren von Ventilatoren und - dann und wann aus abzweigenden Gängen - den Laut anderer Schritte. Sie bemerkte, dass Mundt vor den Einmündungen anderer Gänge zögerte oder manchmal sogar zurückwich, um erst weiterzuwinken, nachdem er sich vergewissert hatte, dass auch niemand kam. Er schien anzunehmen, dass sie ihm freiwillig folgte und dass sie den Grund dafür wisse. Es war fast, als behandle er sie wie eine Komplizin.
    Er war plötzlich stehengeblieben und öffnete nun mit einem Schlüssel eine schmutzige Metalltür. Liz wartete voll panischer Angst. Er stieß die Tür auf, und wohltuend streifte die kalte Luft eines Winterabends ihr Gesicht. Er winkte ihr wieder mit derselben dringenden Eile, und sie folgte ihm zwei Stufen hinab auf einen Kiesweg, der durch einen ungepflegten Küchengarten führte.
    Sie gingen den Weg entlang bis zu einer kunstvollen gotischen Toreinfahrt, hinter der eine Straße vorbeiführte. An der Einfahrt parkte ein Wagen. Daneben stand Alec Leamas.
    »Halten Sie Abstand«, warnte Mundt, als sie losrennen wollte. »Warten Sie hier.«
    Mundt ging allein, und ihr schien es eine Ewigkeit, die die beiden Männer beisammen standen und ruhig miteinander sprachen. Ihr Herz schlug wie verrückt, und vor Angst und Kälte zitterte sie am ganzen Körper. Schließlich kam Mundt zurück.
    »Kommen Sie mit«, sagte er und führte sie zu Leamas. Die zwei Männer sahen sich einen Augenblick lang an.
    »Leben Sie wohl«, sagte Mundt gleichgültig. Dann fügte er hinzu: »Sie sind ein Esel, Leamas. Sie taugt genausowenig wie Fiedler.« Und ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging schnell davon, in die Dämmerung hinein.
    Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und berührte ihn, aber er wandte sich ab und schob ihre Hand beiseite, während er die Wagentür öffnete. Er bedeutete ihr mit einem Nicken, sie solle einsteigen, aber sie zögerte.
    »Alec«, flüsterte sie, »Alec, was machst du? Wieso läßt er dich gehen?«
    »Sei ruhig!« zischte Leamas. »Daran darfst du nicht einmal denken, hörst du? Steig ein!«
    »Was sagte er von Fiedler? - Alec, warum läßt er uns gehen?«
    »Er läßt uns gehen, weil wir unsere Arbeit getan haben. Steig ein, schnell!« Sein starker Wille zwang sie dazu, in den Wagen zu steigen. Sie schloß die Tür, während er sich hinter das Steuer setzte.
    »Was hast du für einen Handel mit ihm gemacht?« beharrte sie. Argwohn und Furcht schwangen in ihrer Stimme mit. »Es hieß doch, du hättest gegen ihn konspiriert, du und Fiedler! Wieso läßt er dich jetzt gehen?«
    Leamas fuhr schnell. Zu beiden Seiten der schmalen Straße waren kahle Felder. In der Ferne mischten sich eintönige Hügel mit der aufkommenden Dunkelheit. Leamas sah auf die Uhr.
    »Wir haben fünf Stunden bis Berlin«, sagte er. »Wir müssen Köpenick bis Viertel vor eins erreichen. Wir sollten das leicht schaffen.«
    Eine Weile schwieg Liz. Sie starrte durch die Windschutzscheibe auf die leere Straße. Sie war verwirrt und fand sich in dem Labyrinth ihrer halbgeformten Gedanken kaum noch zurecht. Es war Vollmond, und der Reif breitete sich in langen Schleiern über die Felder. Sie bogen auf eine Autobahn ein.
    »Lag ich dir auf dem Gewissen, Alec?« fragte sie schließlich. »Hast du Mundt deshalb veranlaßt, mich gehen zu lassen?«
    Leamas sagte nichts.
    »Ihr seid Feinde, du und Mundt, nicht wahr?«
    Er sagte immer noch nichts. Er fuhr jetzt schnell, die Tachometernadel stand auf hundertzwanzig. Die Autobahn war von Rissen durchzogen und holprig. Sie sah, dass er das Fernlicht eingeschaltet hatte und auch bei Gegenverkehr auf der anderen Fahrbahn nicht abblendete. Er fuhr wild, saß nach vorn gebeugt und lag mit seinen Ellbogen fast auf dem Steuer.
    »Was wird aus Fiedler?« fragte Liz plötzlich.
    Diesmal antwortete Leamas.
    »Man wird ihn erschießen.«
    »Warum haben sie dich dann nicht erschossen?« fragte Liz schnell weiter. »Sie sagten doch, du hättest mit Fiedler gegen Mundt konspiriert. Du hast einen Posten getötet. Wieso läßt Mundt dich laufen!«
    »Nun gut!«, schrie Leamas plötzlich. »Ich werde dir sagen, was weder du noch ich jemals hätten erfahren sollen.

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