Der Spion der Fugger Historischer Roman
dieses grausame Schauspiel, Drake?«, empörte sich der Fugger-Agent. »Er ist ein Mann Gottes!«
Francis Drake spuckte aus. »Für Euch vielleicht! Für mich ist er ein Gauner. Wir haben ihn dabei erwischt, wie er drüben auf dem Depeschenboot seine Schätze vor uns verstecken wollte. Wir lassen ihn auf sein Bitten an Bord, damit er für seine Gebete seine Bibel und sein Kreuz holen kann. Und er versucht uns zu betrügen!«
Sachs grunzte abfällig. »Er hat wahrscheinlich nur versucht, sich nicht von Euch bestehlen zu lassen! Und dafür bringt Ihr ihn gleich um? Aber Ihr habt ja schon mehrmals bewiesen, dass Ihr bloß ein erbärmlicher Mörder seid!«
Sofort zückte Drake seinen Säbel und setzte ihn dem Fugger-Agenten an die Kehle. »Passt auf, was Ihr sagt!«, zischte er drohend.
Sachs ließ sich davon nicht beirren. »Wollt Ihr meine Worte jetzt gleich bestätigen? Ich glaube nicht, dass Ihr mich töten werdet, wo Euch ein so gutes Geschäft durch die Lappen gehen würde.« Amman Sachs besann sich. »Welche Schätze sollte der Pater denn eigentlich mit sich führen, die Euch so sehr interessieren? Ihr habt erst vor kurzer Zeit das wertvollste Schiff der Welt gekapert. Und nun seid Ihr beleidigt wegen eines Abendmahlgeschirrs?«
Drake nahm den Säbel wider herunter und steckte ihn weg. »Ihr habt ja keine Ahnung! Wir haben in seinem Bündel einen Jahresvorrat an Weihrauch für die gesamten spanischen Kolonien gefunden. Dafür kann man ein paar Schiffe kaufen. Das ist ein Vermögen! Sicher mehr, als Euer Lösegeld mir bringen wird. Denn so viele Kirchen Ihr Katholen in der Neuen Welt auch schon errichtet habt, Euer allmächtiger Gott hat vergessen, Euren Weihrauch dort wachsen zu lassen.« Drake lachte derb. »Das ist wirklich ein Spaß! Erst rauben wir den Spaniern ihren Weihrauch, und anschließend werden wir ihnen dieses unnütze Räucherwerk wieder teuer verkaufen. Ohne Weihrauch keine Liturgie, ohne Liturgie keinen Gottesdienst, ohne Gottesdienst kein Seelenheil – die Spanier zahlen Höchstpreise für ihren so bedeutenden magischen Stoff!«
Amman Sachs hielt jetzt kurz damit inne, den Priester zu säubern, und schaute den Piratenkapitän an. Er spürte, dass es von großer Bedeutung war, was Francis Drake gerade gesagt hatte, ohne zu wissen, warum es so war. Irgendetwas, das der Engländer eben gesagt hatte, war von größerer Bedeutung, als es den Anschein hatte. Aber was? Der Fugger-Agent kam nicht darauf.
Gegen Mittag des nächsten Tages lichtete die
Falcon
Anker. Amman Sachs betrachtete das majestätische Bild, wie auf dem schmucken Schiff die Segel gesetzt wurden und der schlanke Rumpf sich in den Wind drehte. Die Fregatte gewann langsam an Fahrt. Erst jetzt ging dem Fugger-Agenten auf, dass der Priester Jos´e de Acosta noch an Bord von Drakes Klipper sein musste.
Sachs war sich bewusst, dass die Abfahrt der
Falcon
wahrscheinlich das letzte Kapitel seiner Geiselnahme bedeutete. Eine Gleichung mit vielen Unbekannten, überlegte der Schweizer. Doch er hatte sich von den Schrecken, die Walsingshams Offenbarungen ihm gestern bereitet hatten, halbwegs erholt und überlegte sich nun, wie er in diesem schmutzigen Spiel wieder die Initiative übernehmen konnte.
Er hörte, wie jemand über den Kieselstrand zu ihm kam, drehte sich um und sah Gemma, die immer noch Männerkleidung trug und wie ein verwegener Abenteurer aussah. Ihr schien die ganze Sache einen Heidenspaß zu bereiten. Sachs beschloss nach kurzem Zögern, dem Mädchen von der neuerlichen Begegnung mit Walsingham und dessen Enthüllungen erzählen.
Gemmas Miene wurde hart. »Du Armer«, sagte sie schließlich nur. Sie überlegte einen Moment, widerstand dann aber dem Impuls, ihren Oheim in die Arme zu schließen. »Dann ist alles verloren?«
Genau darüber hatte der Fugger-Agent hier am Strand des Landeplatzes schon den ganzen Morgen nachgedacht.
»Vielleicht nicht«, antwortete er. »Walsingham war nicht ohne Grund hier. Er scheint einer der Unterhändler zu sein, und er ist offenbar nicht mit allem einverstanden, was Drake so treibt. Er hat ihn mehr als einmal zur Ordnung gewiesen. Auch mir gegenüber hat Walsingham die Pläne und Motive Drakes enthüllt. Wenn überhaupt, ist Walsingham unsere Hoffnung. Er scheint sich an unsere in Augsburg getroffene Vereinbarung halten zu wollen . . . obwohl ich die Natur dieses Pakts immer noch nicht verstehe.«
Gemma setzte sich auf den steinigen Boden und schaute zum Meer, wo immer noch die
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