Der Spion der Fugger Historischer Roman
sich von dem Eintopf, der in einer großen Schüssel aufgetischt war. Dann tunkte er kleine Stücke Brot in das warme Essen und aß bedächtig.
»Woher wusste Drake, was es damals auf der
Flor de la Mar
zu holen gab?« Walsingham hatte beiläufig gesprochen und vermied es, dem Fugger-Agenten in die Augen zu blicken.
Sachs begriff erst jetzt, was der Satz zu bedeuten hatte. Und wie bei seinem ersten Besuch in Drakes Kajüte spürte er den Schmerz, den die plötzliche Erkenntnis in ihm hervorrief, wie eine Woge über sich hereinbrechen. Diesmal aber hatte er sich besser in der Gewalt.
»Also noch mehr Verrat«, sagte er nur. Und diesmal ein Verrat von den eigenen Leuten, fügte er stumm hinzu. Was für eine verkommene Welt war das geworden? Wo war die alte Ritterlichkeit geblieben?
Walsingham spülte seine Mahlzeit mit dem gewürzten Wein herunter; dann schob er seinen hölzernen Teller von sich weg und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Ja, noch mehr Verräter«, sagte er und blickte den Fugger-Agent wieder an – mit einer Spur von Mitleid, wie es schien. »Die Spanier würden ihr eigenes Schiff sicher nicht an den Feind verraten. Ein Einzelner vielleicht, aber keiner von ihnen wusste für sich allein genug über die Passage, als dass er irgendetwas hätte verraten können.
Also bleiben nur die Fugger, die ja für diese Mission verantwortlich waren, als Verräter übrig. König Philipp hatte sich an die Fugger gewandt, weil er glaubte, bei der Ausbeutung der neuen Kolonien von seinen eigenen Kaufleuten übervorteilt worden zu sein. Die Fugger waren seit langer Zeit, schon über Generationen hinweg, eng mit den Habsburgern verbunden. Und Philipp war ihr bedeutendster Schuldner und größter Aktivposten. Da würde er den Fuggern wohl trauen können, diesen wichtigen und so wertvollen Auftrag zu seiner Zufriedenheit auszuführen.
Aber die Augsburger Kaufleute haben noch eine alte Rechnung mit dem König von Kastilien offen, der ihnen ihren Teil an den Reichtümern der Indianer versprochen hatte, dann aber doch anderen den Vorzug gab. Und dann erst der Staatsbankrott des Spaniers, der nicht nur Augsburg so unendlich viel gekostet hat. Zudem saßen längst andere am Ruder der alten Handelsdynastie. Anton Fugger ist bloß noch Erinnerung. Doch mancher Emporkömmling träumte wohl davon, es Antons Geschicklichkeit als Kaufmann gleich zu tun.«
Walsingham trank wieder einen Schluck Wein. »Ein zweites Standbein konnte da nicht schaden. Ein zweiter großer Kunde, ein zweiter mächtiger Schuldner. Und wer bot sich da nicht als vortreffliche Chance an, das eigene ganz große Kreditgeschäft auf ein zweites Standbein zu stellen? Ich denke, man kann jetzt mit Fug und Recht sagen: Es hat nicht funktioniert!«
Amman Sachs spürte, dass er endlich am Abgrund der ganzen aberwitzigen Intrige angekommen war. Die Fugger – ob der Regierer selbst oder der Hauptfaktor, denn niemand sonst konnte ein solch riskantes Unternehmen wagen – hatten die von König Philipp beauftragte Überfahrt der Goldgaleone an die den Spaniern feindlichen Engländer verraten! Und der Beweggrund für einen so unglaublichen Frevel konnte nur darin bestehen, dass der Verräter glaubte, man würde auf diese Weise mit den Briten künftig besser ins Geschäft kommen.
Daher, so überlegte Sachs, auch die verhaltene Euphorie, die er gespürt hatte, als er das letzte Mal nach Augsburg in die Zentrale der Fugger zurückgekehrt war. Trotz der schlechten Nachrichten, die er aus Lissabon und von der Goldgaleone mitbrachte, herrschte damals ja keine Niedergeschlagenheit in den Fuggerhäusern. Er, Amman Sachs, hatte keine Neuigkeiten zu vermelden gehabt, die man in Augsburg noch nicht kannte, so einfach war das! Was für ihn ein Schrecken war – der Verlust der
Flor de la Mar
–, war für seinen Prinzipal der geglückte Abschluss seines eigenen Plans!
Das von den Engländern auf diese Weise geraubte Gold sollte wahrscheinlich das Eintrittsgeld der Fugger zu den britischen Handelsplätzen sein. Der Blutzoll, um von der zunehmenden Bedeutung des Königreichs zu profitieren. Wenn man auch in Augsburg von den unglaublichen Fortschritten der Engländer in der Schiffsbaukunst und Navigation wusste, war das ganze Vorhaben sogar in gewisser Weise verständlich – ein guter Kaufmann hatte an seine Zukunft und die seiner Handelsniederlassungen zu denken. Da gab es keine besonderen Präferenzen, keine anderen Sympathien als die für Geld und Gold.
Aber all die
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