Der Sportwettkampf von Schreckenstein
Umgebung ein neues Schulsystem entstanden, ihr eigenes, das sie gegen alle Angriffe verteidigten. Und an denen fehlte es nicht. Ein Schultyp, der sich ohne behördliche Genehmigung sozusagen von selbst entwickelt hatte, war manchen Herren bei der Schulbehörde ein Dorn im Auge. Dafür sorgte unter anderen auch Fräulein Doktor Horn. Der Leiterin von Rosenfels gingen „gewisse Freiheiten“ – wie sie sich ausdrückte – zu weit. Besonders die nächtlichen Streiche. Obwohl die Ritter streng darauf achteten, daß ihre Unternehmungen witzig blieben, nichts dabei beschädigt wurde und niemand zu Schaden kam. Am meisten aber mißtraute sie der Ehrlichkeit der Jungen. Trotz vieler gegenteiliger Beispiele mußte der Rex sie äußerst vorsichtig behandeln. Sein Umgang mit ihr und mit der Schulbehörde glich dem eines erfahrenen Psychologen mit seinen Patienten.
Das Damoklesschwert aber blieb.
Die Schulraumnot in Neustadt galt als überwunden. Schreckenstein war zwar offiziell genehmigt, war aber nicht zur Abnahme der Abiturprüfungen berechtigt. Die staatliche Anerkennung von höchster Stelle blieb ihr versagt. Auch den jüngsten Vorstoß des Rex in dieser Sache hatte man, wie es in amtlichem Satzbau so umständlich hieß, „abschlägig beschieden“.
Längst flöteten Amanda und Hans-Jürgen an ihrem zweiten Stück, als Pummel versonnen meinte: „Hungerstreik und Sitzstreik… Vielleicht ist das eine Lösung?“ Abgemagerte Schüler, die nicht nach Hause wollen – das fällt auf! Da kommt sogar das Fernsehen, und alle Welt erfährt, was wir wollen.“
„Du hast ja noch ein Jahr länger Zeit“, antwortete Fritz. „Mich müssen sie jedenfalls nach Neustadt tragen. Freiwillig verlaß ich unsere Burg nicht.“
Riesenbeifall blockte ihre trüben Gedanken ab. Der Kulturabend war zu Ende. Noch einmal verbeugten sich alle Mitwirkenden auf dem Podium. Hausherr Mauersäge hatte sich bereits erhoben. Wie immer küßte er Fräulein Doktor Horn zum Abschied die Hand, und wie immer wirkte sich das auf ihren gefürchteten Vogelblick aus. Sie schielte vor Wonne über diese Ehre und zwitscherte wie ein altes Mädchen.
Wie immer bei solchen Anlässen sprang der Rex aufs Podium, hob die Hand zum Zeichen, daß er noch ein paar abschließende Worte sagen wollte.
Der Beifall verebbte, doch statt seiner Stimme erhoben sich nur seine Augenbrauen über den Rand der dicken Hornbrille, denn in diesem Augenblick stürmten die vier Mini-Ritter das Podium. Der kleine Herbert schob den umfangreichen Lehrkörper Fräulein Böcklmeiers vom Flügel weg und schlug nacheinander vier Töne an. Jeder der Minis summte einen mit, und noch ehe Zuhörer und Mitwirkende ihre Verblüffung ausdrücken konnten, rief der kleine Herbert: „Wir singen zum Abschluß ein Streichquartett von Mozart! Unsere Stimmbänder sind die Saiten.“
Wer schon stand, nahm wieder Platz. Das Erstaunen wandelte sich zusehends in Heiterkeit. Mit deutlichem Rhythmus, kleinen Synkopen und gefärbten Harmonien verjazzelten die vier das wohlbekannte Stück in einer Phantasie-Sprache. Sie machten das so selbstverständlich, als sei Mozart nie anders vorgetragen worden. Ihre gute Laune und die Betonung des Rhythmus wirkten derart ansteckend, daß Sonja mit den Fingern zu schnippen begann, bis schließlich alle schnippten – einschließlich Fräulein Doktor Horn. Mücke, als Chefredakteur der Schulzeitung Wappenschild für seine Wortgewandtheit bekannt, rief unbekümmert dazwischen: „Die Turmspatzen von Schreckenstein!“
Damit hatte das stürmisch bejubelte Überraschungs-Quartett seinen Namen weg.
„ Zuuuugabeeeeee !“ überbrüllte Dampfwalze das baupolizeilich beängstigende Getrampel am Schluß.
„Zugabe! Zugabe!“ riefen Ritter und Mädchen im Chor.
Mit beiden Armen winkte der kleine Herbert ab. Doch statt am Klavier neue Töne vorzugeben, sagte er in die sofort eintretende Stille: „Danke, danke! Nächstes Mal gern. Euer Beifall ist uns richtig peinlich. Bis jetzt können wir nur das eine Stück.“
Im dröhnenden Gelächter nahm der Rex seinen zweiten Anlauf. „Bravo, ihr Turmspatzen! Das war eine gelungene Überraschung! Ein Schreckensteiner Streichquartett ganz besonderer Art. Denn ihr mußtet ja ziemlich lange üben, und kein Mensch hat etwas gehört. Ich möchte allen Mitwirkenden herzlich danken und etwas verkünden, was zu der guten Stimmung sicher gut paßt: Wir und die Rosenfelser Mädchen wurden eingeladen zu einem Sportwettkampf. Und zwar vom
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