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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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ist, ich meine in der Schweiz und da herum, wo sie stellenweise schon Italienisch sprechen, da will man doch schließlich auch gern in das gelobte Land Italia hineinkucken. Und da haben wir denn also, meine Frau und ich, vor, von diesem Pfäffers aus erst noch durch die Viamala zu fahren, den Splügen hinauf oder auf irgendeinen andern Paß. Und wenn wir dann einen Blick in all die Herrlichkeit drüben hineingetan haben, dann kehren wir wieder um, und ich für meine Person ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn für die Reise hab’ ich mir einen neuen Paletot bauen lassen) und kutschiere wieder durch Kreis Gransee.«
    »Na, Sponholz, das freut mich aber wirklich, daß Sie mal rauskommen. Und bloß wenn Sie durch die Viamala fahren, da müssen Sie sich in acht nehmen.«
    »Waren Sie denn mal da, Herr Major?«
    »Bewahre. Meine Weltfahrten, mit ganz schwachen Ausnahmen, lagen immer nur zwischen Berlin und Stechlin. Höchstens mal Dresden und ein bißchen ins Bayrische. Wenn man so gar nicht mehr weiß, wo man hin soll, fährt man natürlich nach Dresden. Also Viamala nie gesehen. Aber ein Bild davon. Im allgemeinen ist Bilderankucken auch nicht gerade mein Fall, und wenn die Museums von mir leben sollten, dann täten sie mir leid. Indessen wie so der Zufall spielt, mal sieht man doch so was, und war da auf dem Viamala-Bilde ‘ne Felsenschlucht mit Figuren von einem sehr berühmten Malermenschen, der, glaub’ ich, Böcking oder Böckling hieß.«
    »Ah so. Einer, wenn mir recht ist, heißt Böcklin.«
    »Wohl möglich, daß es der gewesen ist. Ja, sogar sehr wahrscheinlich. Nun sehen Sie, Doktor, da war denn also auf diesem Bilde diese Viamala, mit einem kleinen Fluß unten, und über den Fluß weg lief ein Brückenbogen, und ein Zug von Menschen (es können aber auch Ritter gewesen sein) kam grade die Straße lang. Und alle wollten über die Brücke.«
    »Sehr interessant.«
    »Und nun denken Sie sich, was geschieht da? Grade neben dem Brückenbogen, dicht an der rechten Seite, tut sich mit einem Male der Felsen auf, etwa wie wenn morgens ein richtiger Spießbürger seine Laden aufmacht und nachsehen will, wie’s Wetter ist. Der aber, der an dieser Brücke da von ungefähr rauskuckte, hören Sie, Sponholz, das war kein Spießbürger, sondern ein richtiger Lindwurm oder so was Ähnliches aus der sogenannten Zeit der Saurier, also so weit zurück, daß selbst der älteste Adel (die Stechline mit eingeschlossen) nicht dagegen ankann, und dies Biest, als der herankommende Zug eben den Fluß passieren wollte, war mit seinem aufgesperrten Rachen bis dicht an die Menschen und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß sagen, Sponholz, mir stand, als ich das sah, der Atem still, weil ich deutlich fühlte, nu noch einen Augenblick, dann schnappt er zu, und die ganze Bescherung is weg.«
    »Ja, Herr von Stechlin, da hat man bloß den Trost, daß die Saurier, so viel ich weiß, seitdem ausgestorben sind. Aber meiner Frau will ich diese Geschichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich mitunter Ohnmachten. In Doktorhäusern ist immer was los.«
    Dubslav nickte.
    »Und nur das eine möcht’ ich Ihnen noch sagen, Herr von Stechlin, mit der Digitalis immer ruhig so weiter, und wenn der Appetit nicht wiederkommt, lieber nur zweimal täglich. Und nie mehr als zehn Tropfen. Und wenn Sie sich unpaß fühlen, mein Stellvertreter ist von allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen. Neue Schule, moderner Mensch; aber doch nicht zu viel davon (so wenigstens hoff’ ich) und jedenfalls sehr gescheit. An seinem Namen - er heißt nämlich Moscheles - dürfen Sie nicht Anstoß nehmen. Er ist aus Brünn gebürtig, und da heißen die meisten so.«
    Der Alte drückte mit allem seine Zustimmung aus, auch mit dem Namen, trotzdem dieser ihm quälende Erinnerungen weckte. Schon vor etlichen fünfzig Jahren habe er Musikstücke spielen müssen, die alle auf den Namen »Moscheles« liefen. Aber das wolle er dem Insichtstehenden nicht weiter entgelten lassen.
    Und nach diesen beruhigenden Versicherungen empfahl sich Sponholz und fuhr zu weiteren Abschiedsbesuchen in die Grafschaft hinein.
    Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholzschen Eheleute von Gransee nach Pfäffers hin auf; die Frau, sehr leidend, war schweigsam, er aber befand sich in einem hochgradigen Reisefieber, was sich, als sie draußen auf dem Bahnhof angelangt waren, in immer wachsender Gesprächigkeit äußerte.
    Mehrere Freunde (meist Logenbrüder) hatten ihn bis

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